25. FEBRUAR 2024

Gedanken zum 2. Sonntag der Passionszeit

"Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit!" (Ps 25,6)

 

Blaue Altpapiertonne Richen Juni 2014 -

Category:Ein Herz für Kinder – Wikimedia Commons

 

Bestimmt haben Sie auch schon an allen möglichen Orten diese Aufkleber der Hilfsorganisation des Springer-Verlages gesehen. Es funktioniert ähnlich gut wie das Logo der Bahnhofsmission: Jeder und jede weiß sofort, um was es geht. Ein Herz haben – für Kinder, für Tiere, für Benachteiligte oder Notleidende – das meint: hinsehen, hinhören, sich einfühlen und unterstützen. In solchen Situationen fühlt sich auch das eigene Herz oft mitleidend, elend oder gar „arm“ an. Daher das biblische Wort „Barm-Herzigkeit“.

 

Aber muss man Gott an seine Barmherzigkeit erinnern? Hat Gott aus Sicht des Psalmbeters sich selbst vergessen? Man könnte es fast meinen, angesichts von Kriegen, Not und unerträglichem Leid. Im Kontext des Psalm 25 ist der Vers eher eine dringende Bitte um Hilfe in ganz vielfältigen Nöten. Da weiß jemand gar nicht mehr weiter und kann sich auch nicht erinnern, wie es jemals besser werden soll. Aber an eines erinnert er oder sie sich doch noch: Da ist dieser Gott, der sich selbst barmherzig nennt – obwohl ich von ihm so wenig spüre, höre oder sehe. Deshalb: Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit. Lass mich erleben, dass du gnädig eingreifst.

 

Wir können Gottes Hilfe nicht mit einem Formular beantragen, wie die Unterstützung beim Sozialamt. Deshalb appelliert das Gebet leidenschaftlich an Gottes Erinnerungsvermögen und an Gottes Herz: Schau dir das Elend an, geh nicht vorüber an dem, was mich so bedrückt, höre dir an, wenn ich erzähle, was mir Angst bereitet. Barmherzigkeit heißt zunächst: Die Begrenzungen abreißen, mit denen jeder und jede mühsam versucht, sein eigenes Herz zu verbarrikadieren, damit einem das Elend nicht so auf die Pelle rückt. Sich in die Situation der Leidenden einfühlen, mitfühlen und die Situation zu verstehen beginnen. Wir erinnern Gott an seine Barmherzigkeit, weil wir hoffen, dass er noch tiefer und grundlegender versteht als wir Menschen es vermögen.

 

Und dann wird Barmherzigkeit zum Synonym für Hilfe oder Nächstenliebe. Weil es unser menschliches Herz anrührt, was wir sehen. Weil der Ruf nach Gottes Barmherzigkeit wie ein Echo in unserem Herz widerhallt. Barmherzigkeit ist die deshalb die so wichtige Kraft, „die jede Schranke, alle Begrenzungen dieser Welt und die meines Herzens mit Liebe durchbricht.“ (Andrea Sautter - Jahreslosungen)

 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in dieser Woche Barmherzigkeit erfahren und schenken können.

 

Ihre Christine Siegl

 

PD Dr. Christine Siegl

Pfarrerin;

Ruhr Universität Bochum, Evangelisch Theologische Fakultät,

Forschungsprojekt „Nächste Hilfe am Bahnhof“