18. DEZEMBER 2015

Die Welt zu Gast in der Bahnhofsmission - Statistik 2014

BERLIN. Die Bundesstatistik der Bahnhofsmissionen 2014 weist massive Steigerungsraten bei den Gästen mit Migrationshintergrund aus. So ist die Zahl Mehr... der Menschen mit Migrationshintergrund, die Unterstützung durch die Bahnhofsmission suchen, seit 2009 um 85 Prozent angestiegen. Von 2013 auf 2014 gibt es eine mehr als 20-prozentige Steigerung.

 

In der Zahl enthalten sind Menschen aller Herkunftsländer und unabhängig von ihrem Rechtsstatus. „Dies entspricht genau der Haltung, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahnhofsmission den Menschen begegnen“, kommentiert Axel Mangat, Mitglied des Arbeitskreises Soziales der Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission und zugleich Leiter der Bahnhofsmission Hamburg. „In der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten wird das Offene und Voraussetzungslose unserer Hilfeleistungen sehr konkret: Unsere Aufgabe ist es nicht, politisch oder rechtlich zu bewerten, sondern nach Lösungen für praktische – oft auch existenzielle –  Probleme zu suchen.“

Als Folge dieser Entwicklung ist die Verständigung über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg eine der großen Herausforderungen in der Arbeit der Bahnhofsmissionen. „Die Schwierigkeit“, sagt die Leiterin der Bahnhofsmission Berlin Ostbahnhof, Ursula Czaika, „besteht darin, Menschen zu finden, die nicht nur die nötigen Sprachkenntnisse haben, sondern auch über genügend Empathie verfügen, um mit unseren Gästen zurechtzukommen.“ Das Elend der eigenen Landsleute auszuhalten falle manchem sichtlich schwer: „Viele, die für die Aufgabe des Sprachmittlers in Fragen kommen, spüren eine zu starke biografische Nähe zu dem Hilfebedürftigen und fühlen sich emotional überfordert.“

Der Migrantenanteil bei den Gästen der Bahnhofsmission Berlin – Ostbahnhof liegt an manchen Tage bei bis zu 80 Prozent. Die meisten von ihnen kommen aus Osteuropa. Czaika weiß, dass die Hilfe für Zuwanderer oft ein Wettlauf mit der Zeit ist. „Jede Nacht auf der Straße“, so die Leiterin vom Berliner Ostbahnhof, „macht die Integration unwahrscheinlicher.“ Die Integrations- und Hilfsmaßnahmen müssten deshalb möglichst früh ansetzen.

 

Immer mehr Gäste verlieren den Anschluss

Die Zahl der Menschen, die mit ihren komplexen und tiefgreifenden sozialen Problem in die Bahnhofsmission kommen, steigt weiter an: Der Anteil der Gäste in besonderen sozialen Schwierigkeiten hat sich von2009 bis 2014 um gut 20 Prozent erhöht. Dieser Anstieg macht von 2013 auf 2014 allein 7 Prozent aus. Die Folge ist, dass inzwischen knapp die Hälfte der Nutzerinnen und Nutzer nicht eine einmalige Akuthilfe in Anspruch nimmt, sondern einen umfassenden Hilfebedarf hat und langfristig Unterstützung braucht.

Bahnhofsmissionen als Anlaufstellen für psychisch Kranke
Inzwischen ist jeder fünfte Besucher psychisch belastet. Offensichtlich gibt es immer mehr Menschen, die – vielleicht auch in Ermangelung von Alternativen – die Bahnhofsmissionen nutzen, um ein wenig Geselligkeit zu erleben und Gesprächspartner/innen zu finden. Axel Mangat kann das bestätigen: „Immer mehr Menschen leben alleine. Wer häufig am Bahnhof ist oder Öffentliche Verkehrsmittel benutzt, trifft oft auf Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. In die Bahnhofsmission kommen viele, die gar kein Krankheitsbewusstsein haben oder keinen Therapieplatz.“ Für den Hamburger Einrichtungsleiter liegt es auf der Hand, was die Bahnhofsmissionen für Menschen mit psychischen Erkrankungen attraktiv macht: „Dass sie dort auf Menschen stoßen, die sich Zeit nehmen, Geduld aufbringen und sie so nehmen, wie sie sind.“


Wieder mehr Hilfen für Reisende
Trotz integrationsfördernder Umbauten und Serviceleistungen der Deutschen Bahn werden die Angebote der Bahnhofsmission zur Förderung von Inklusion und Teilhabe von Senioren, Familien, Kindern  und Menschen mit Handicaps unvermindert gut angenommen: Gut 700.000 der knapp 2,2 Millionen Nutzer und Nutzerinnen der Bahnhofsmissionen waren auch 2014 wieder Reisende.

Besonders bemerkenswert ist das enorme Wachstum beim Angebot Bahnhofsmission Mobil, mit dem die örtlichen Bahnhofsmissionen Personen, die in ihrer Mobilität beeinträchtigt sind, durch individuelle Begleitangebote im Regionalverkehr unterstützen. Die Steigerung um rund ein Viertel binnen eines Jahres ist nur dadurch zu erklären, dass im Zuge der demografischen Entwicklung und des Wandels von Lebensformen und Familienstrukturen die Bedarfe zunimmt und zugleich die Bereitschaft, ehrenamtliche Hilfe für die Zugreise in Anspruch zu nehmen, steigt.

Frauenanteil variiert je nach Größe der Kommune
Je höher die Einwohnerzahl am Standort der Bahnhofsmission, desto geringer fällt der Frauenanteil unter ihren Nutzer/innen aus. Im bundesweiten Durchschnitt machen die Frauen weiterhin rund ein Drittel der Gäste aus.

Zunehmende Diversifizierung der Bahnhofsmissionsarbeit
Diese Tatsache steht in Zusammenhang mit einer feststellbaren Diversifizierung des Angebots der Bahnhofsmissionen. Als Konsequenz aus der Bedarfs- und Sozialraumorientierung des Konzepts unterscheiden sich die Angebote und Nutzergruppen deutlich je nach Größe der Kommune. Im bundesweiten Durchschnitt bedeutet das: Je größer die Kommune, desto mehr Arme und armutsorientierte Angebote der Bahnhofsmissionen. Und je kleiner die Kommune, desto mehr Reisende und mobilitätsorientierte Angebote der Bahnhofsmission.


Entsprechend unterschiedlich ist der Anteil der Gäste in besonderen sozialen Schwierigkeiten an den Gästen der Bahnhofsmission: Beträgt dieser in den 15 Metropolbahnhofsmissionen Deutschlands (über 500.000 Einwohner) rund 60 Prozent, so macht er etwa in den Bahnhofsmissionen der Groß- und Mittelstädte (über 100.000 Einwohner) im Durchschnitt rund 30 Prozent aus.

„Die Armutsentwicklung und die Zuwanderung sind die beiden großen Themen, die die Bahnhofsmission in den kommenden Jahren massiv beschäftigen werden“, stellt der Bundesgeschäftsführer der KKBM, Christian Bakemeier fest. „In einer Zeit, in der die Spannungen und Konflikte durch ein Auseinanderdriften von Reich und Arm und durch zunehmende kulturelle und weltanschauliche Durchmischung der Bevölkerung virulenter werden, ist gerade eine christliche Einrichtung wie die Bahnhofsmission herausgefordert, sich als vielfaltsfähig zu erweisen. Ihre Standorte fordern sie dazu heraus, hier mutig voran zu gehen.“



 
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