23. JUNI 2021

Unsichtbar und unerreichbar? Frauen im Fokus der Bahnhofsmission

Berlin, 23. Juni 2021. Über 2,2 Millionen Menschen besuchen jährlich eine der hundert Bahnhofsmissionen in Deutschland und fragen nach Hilfe. Von Frauen werden diese Angebote allerdings seltener wahrgenommen: Nur ein Drittel aller Hilfesuchenden in den Bahnhofsmissionen ist weiblich. In einer digitalen Fachtagung am 22. Juni 2021 diskutierten über 50 Ehren-und Hauptamtliche aus den Bahnhofsmissionen die Gründe und erarbeiteten Lösungsansätze. Mehr...

 

 „Frauen gehen nicht durch jede Tür – selbst dann nicht, wenn sie offen steht,“ war eine zentrale Erkenntnis der Fachtagung. Denn um sie zu erreichen, braucht es inklusive Strukturen, die von den Bahnhofsmissionen aktiv gestaltet werden müssen. Es reicht nicht, „einfach da“ zu sein. „In der Konkurrenz um die begrenzten Ressourcen Zeit und Raum haben die Frauen oft die schlechteren Karten. Wer sie erreichen will, muss aktiv auf sie zugehen. Dazu gehören auch Angebote, in denen die Frauen unter sich sein können“, so Gisela Sauter-Ackermann, Bundesgeschäftsführerin der Bahnhofsmission.

 

Die Wiener Politologin Margit Appel beschrieb in ihrem Impulsreferat die Funktion des Geschlechts als „Platzanweiser“. Aufgrund von strukturellen Benachteiligungen kommen Frauen bei Verdienstmöglichkeiten, Aufstiegschancen, Sicherheit, Freiheitsspielräumen oder Verteilung der Carearbeit meist schlechter weg als ihre männlichen Zeitgenossen. Was dagegen helfe sind Solidarität und Hilfekonzepte mit emanzipatorischem Anspruch.

 

Wie aber werden Frauen unsichtbar? Nach der Erfahrung von Helena Schiller und Lisanne Hamschmidt aus der Psychologischen Beratungsstelle in Berlin spielen hierfür Gewalterfahrungen eine große Rolle. Die Folgen sind unter anderem Schlafstörungen, Angst, Ohnmachtsgefühle und psychische Erkrankungen bis hin zur Suizidalität. Viele der Frauen geraten in der Folge in Wohnungsnot und Armut.

 

Scham, so Ulla Stegemann von der Diakonie Hessen und Karen Sommer-Loeffen von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, sei eines der stärksten Gefühle. Viele Gäste der Bahnhofsmissionen empfinden ihre prekäre Lebenssituation beschämend, so die Referentinnen. Insbesondere Frauen reagieren auf das Beschämt werden häufig mit Rückzug. Gegen Scham hilft Anerkennung, Schutz, Zugehörigkeit und Integrität. Grundlage dafür ist eine wertschätzende, einfühlende, authentische Haltung und eine liebevolle Gestaltung der Räumlichkeiten. Dadurch entstehe ein „Raum der Würde“, in dem sich die Frauen angenommen fühlen.

 

Wer Frauen sichtbar machen und erreichen will, so waren sich die Teilnehmenden der Fachtagung einig, muss ihre Wünsche ernst nehmen und ihnen Beteiligung ermöglichen. Einige Bahnhofsmissionen machen damit heute schon gute Erfahrungen, etwa in Angeboten wie „Ellens Treff“ in der Bahnhofsmission Essen, oder dem „Nachtcafé“ der Bahnhofsmission Freiburg.

 

Die Teilnehmenden erarbeiteten viele konkrete Ideen – von der Raumgestaltung bis zur Vernetzung mit frauenspezifischen Angeboten – die von den Bahnhofsmissionen an die lokale Situation angepasst und in die Praxis umgesetzt werden können. Am Ende waren sich alle einig: Der Fachtag wird Folgen haben – für eine inklusive Weiterentwicklung der Arbeit in den Bahnhofsmissionen.

 

Pressemitteilung

Berlin, 25.06.2021

Weitere Informationen durch:

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Dr. Gisela Sauter-Ackermann

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10179 Berlin

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Web: www.bahnhofsmission.de

 

Über die Bahnhofsmissionen

Die Bahnhofsmissionen sind mit ihren mehr als 2.300 haupt-und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zentrale Knotenpunkte des sozialen Netzes in den Städten und an den Bahnhöfen. Sie helfen jedem, sofort, gratis und ohne Anmeldung oder Voraussetzungen –häufig zu Uhrzeiten, zu denen andere Hilfe nicht erreichbar ist. Das tun sie inzwischen seit über 125 Jahren und an derzeit mehr als hundert Orten in Deutschland. Die Bahnhofsmissionen sind Einrichtungen der Evangelischen und der Katholischen Kirche. Ihre Arbeit lebt von dem Engagement der festangestellten und der zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.

 

 

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