15. DEZEMBER 2022

Erste umfassende repräsentative Befragung von Geflüchteten aus der Ukraine

Studie gibt Einblicke in die Einschätzung von Aufnahme und Integration in Deutschland sowie Bleibe- und Rückkehrabsichten

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst: Seit dem 24. Februar 2022 sind allein nach Deutschland mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine geflohen. Mit Polen gehört Deutschland damit zu den Ländern in der EU, welche die meisten Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen haben. Mehr...

 

Nun legen das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) erstmals eine repräsentative Studie vor, die belastbare Informationen zu Geflüchteten aus der Ukraine liefert und damit einen wichtigen Bezugspunkt für politische Entscheidungen darstellt. Die Studie wird mitfinanziert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 

 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Ich bin sehr stolz auf die Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft in unserem Land. Seit dem Beginn des entsetzlichen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben wir mehr als einer Million Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland Schutz geboten. Ganz überwiegend sind es Frauen und Kinder, deren Familien auseinandergerissen wurden. Viele in unserer Gesellschaft und auf allen staatlichen Ebenen sind über sich hinausgewachsen, um Geflüchteten zu helfen. Wie herzlich die Geflüchteten aufgenommen wurden, sehen wir jetzt in dieser ersten großen repräsentativen Befragung: Die große Mehrheit der Geflüchteten fühlt sich willkommen, lernt bereits Deutsch, die Kinder besuchen Schulen und Kitas. Die Erwachsenen haben einen hohen Bildungsstand und wollen sich einbringen. Viele haben eine eigene Wohnung gefunden, einen Integrationskurs begonnen und sind ins soziale Leben eingebunden. Wir werden den Geflüchteten weiter mit aller Kraft helfen."

 

Bundesminister Hubertus Heil: "Angesichts der humanitären Notlage war und ist unsere absolute Priorität, den Geflüchteten aus der Ukraine Schutz zu bieten und humanitäre Hilfe zu leisten. Viele von ihnen werden länger bleiben. Deshalb ist es richtig, dass sie eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben. Dazu gehört auch, dass Sprachangebote oder die Angebote zu Arbeitsvermittlung breit genutzt werden, denn sie sind von zentraler Bedeutung für Integration und Teilhabe. Durch den Zugang zur Grundsicherung und die Betreuung durch die Jobcenter haben wir hierfür die Weichen gestellt."

 

In der Studie wurden über 11.000 ukrainische Staatsangehörige im Alter von 18 bis 70 Jahren, die vom 24. Februar 2022 bis zum 8. Juni 2022 nach Deutschland geflüchtet sind und bei den Einwohnermeldeämtern registriert wurden, befragt. Inhalt der Befragung waren Fluchtumstände, Familiensituation, schulische, berufliche und akademische Qualifikation, Erwerbstätigkeit, Deutschkenntnisse und die aktuellen Wohnverhältnisse. Weitere Themen waren die eigene Gesundheit, Wohlbefinden und Sorgen, Beratungs- und Unterstützungsbedarfe sowie die Zukunftsabsichten der Geflüchteten

 

Wichtige Studienergebnisse:

  • Die Geflüchteten stammen überdurchschnittlich oft aus den vom Krieg betroffenen Regionen und sind vor Krieg und Gewalt geflohen.
  • Als häufigstes Motiv für die Wahl Deutschlands als aktuelles Aufenthaltsland nannten die Geflüchteten, dass bereits Familienangehörige, Freunde und Bekannte hier leben (60 Prozent). Gut 80 Prozent der ukrainischen Geflüchteten sind gemeinsam mit Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten geflohen.
  • Die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten war zum Befragungszeitpunkt privat untergekommen (74 Prozent), davon gut ein Viertel bei bereits in Deutschland lebenden Familienangehörigen, Freunden und Bekannten. Lediglich 9 Prozent waren in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.
  • Die erwachsenen Geflüchteten sind zu 80 Prozent Frauen, von denen 65 Prozent mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben.
  • In 91 Prozent der Familien mit Kindern im schulpflichtigen Alter besucht mindestens ein Kind eine Schule in Deutschland. 23 Prozent der Kinder unter drei Jahren und knapp 60 Prozent der Kinder im Kindergartenalter besuchen eine
  • Bereits über 90 Prozent besaßen zum Befragungszeitpunkt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz oder eine entsprechende Fiktionsbescheinigung, die Antragstellenden von den kommunalen Behörden erteilt wird, bis eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt ist.
  • Die deutliche Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten fühlte sich bei ihrer Ankunft in Deutschland willkommen („voll und ganz“: 33 Prozent, „überwiegend“: 43 Prozent).
  • Überdurchschnittlich viele der Geflüchteten weisen einen hohen Bildungsstand 73 Prozent verfügen über Hochschulabschlüsse. Mit nur 2 Prozent sind Personen mit maximal einem Volks- oder Hauptschulabschluss unter den Geflüchteten kaum vertreten.
  • Zum Befragungszeitpunkt haben bereits 51 Prozent der erwachsenen Geflüchteten einen Deutschkurs besucht oder abgeschlossen. 36 Prozent haben dabei einen kostenlosen Integrationskurs oder ein anderes (Sprach-)Kursangebot des BAMF genutzt.
  • 18 Prozent der Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre) waren zum Befragungszeitpunkt bereits in Deutschland erwerbstätig, weitere 78 Prozent gaben an, „ganz sicher“ (56 Prozent) oder „wahrscheinlich“ (22 Prozent) eine Erwerbstätigkeit hier aufnehmen zu wollen. 74 Prozent der erwerbslosen Geflüchteten waren zum Befragungszeitpunkt arbeitsuchend gemeldet und damit in die Förder- und Vermittlungsinfrastruktur der Jobcenter eingebunden.
  • Die Bleibe- und Rückkehrabsichten der ukrainischen Geflüchteten sind gemischt: Etwa ein Drittel der Geflüchteten wollen bis Kriegsende in Deutschland bleiben, wovon die Mehrheit im Anschluss in die Ukraine zurückkehren möchte (81 Prozent). Weitere 27 Prozent wissen noch nicht, ob und wie lange sie in Deutschland bleiben wollen. Demgegenüber möchten 26 Prozent in Deutschland bleiben.
  • Wie zu erwarten, ist die Lebenszufriedenheit der Geflüchteten im Vergleich zur deutschen Bevölkerung deutlich geringer. Auch das psychische Wohlbefinden der Kinder fällt vergleichsweise niedrig aus.
  • Hilfsbedarfe geben die Geflüchteten insbesondere beim Erlernen der deutschen Sprache, bei der Arbeitssuche, bei der Gesundheitsversorgung sowie der Wohnungssuche an. 

Weitere Informationen zur Studie finden Sie auf der Webseite des BiB.

 

Pressemitteilung des

Bundesministerium des Innern und für Heimat
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