13. MÄRZ 2012

13. März 2012

Alltag in der Bahnhofsmission am Zoo -
ein Ehrenamtlicher erzählt

BERLIN. Mein Name ist Manfred Müller. Ich arbeite seit ein paar Wochen als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Bahnhofsmission am Zoo in Berlin. Mitte November hatte ich einen Aufruf im Radio gehört. Darin hieß es, Mehr... dass die Bahnhofsmission dringend Schlafsäcke benötigt für die Menschen, die auf der Straße leben. Spontan entschloss ich mich, die Schlafsäcke aus meiner Fernfahrerzeit zu spenden. Als ich am nächsten Tag dort vorfuhr, kam mir sofort ein ehrenamtlicher Mitarbeiter entgegen, um meine Spende entgegenzunehmen. Und er lud mich ein, doch mal kurz reinzuschauen und mir anzusehen, was dort eigentlich so alles gemacht wird. Er bot mir auch eine Tasse Kaffee an und zeigte mir alles, angefangen von der Kleiderkammer bis hin zum Lager, wo die gespendeten Lebensmittel verwahrt werden. Er nahm mich auch mit zur Essensausgabe und erklärte mir, dass hier täglich ca. 300 bis 400 Mahlzeiten ausgegeben würden.

Als ich die Mission verließ, sah ich, dass dort bereits ca. 80 Personen in der Schlange anstanden, um sich drinnen aufzuwärmen und sich ein Essen abzuholen. Auf dem Heimweg über die Avus dachte ich über die Menschen nach, die sich dort täglich anstellen, um ein wenig Hilfe und Aufmerksamkeit zu bekommen. Als ich zu Hause angekommen war, rief ich gleich noch mal in der Bahnhofsmission an, ob ich dort mithelfen könne. Wir verabredeten für den darauffolgenden Donnerstag einen Probearbeitseinsatz. Bei meinem ersten Einsatz durfte ich bei der Essensausgabe helfen und erhielt von den Bedürftigen, die dort übrigens als Gäste bezeichnet werden, durchweg ein positives Feedback und sei es nur durch ein „Dankeschön“. Aber ich habe auch in viele dankbare Augen geschaut. Seit diesem Donnerstag gehe ich regelmäßig ein bis zweimal die Woche dorthin, um zu helfen.

Mittlerweile habe ich auch schon am Einlass gearbeitet. Aus organisatorischen Gründen werden da immer nur rund 50 Menschen gleichzeitig in die Bahnhofsmission zur Essensausgabe eingelassen.
Anfang/Mitte Januar wurde in vielen Berliner Medien dazu aufgerufen, warme Kleidung und Schlafsäcke sowie Lebensmittel zu spenden. Wir alle waren über die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung überwältigt. Im Minutentakt fuhren Autos vor, die Spenden gebracht haben.

Eine für mich persönlich sehr schöner bzw. sehr bewegender Augenblick war, als ich beim Einlass eingeteilt war: Ein junges Paar, ca. 20 bis 25 Jahre alt, stand dort in der Kälte und fror. Auf meine Frage, ob sie je eine warme Jacke wollten, erwiderte der junge Mann: „ Nein danke, ich möchte nicht mit alten abgetragenen Sachen rumlaufen und wie ein Penner aussehen!“ Doch ich überzeugte die beiden, doch mal reinzukommen und sich zwei Jacken auszusuchen. Nachdem beide vier, fünf Jacken anprobiert hattenen, fanden wir für beide zwei warme Jacken, die gut zu ihnen passten. Und – es war nicht zu sehen, dass sie gebraucht waren. Im Gegenteil, beide sahen so aus, als ob sie gerade in einer Boutique gewesen und dort für viel Geld schicke Kleidung gekauft hätten. Ich freue mich jetzt jedes Mal, wenn ich die beiden sehe, wie einfach doch geholfen werden kann.

Ein weiteres Erlebnis hatte ich, als ich in der Kleiderkammer aushalf und ein altes Rentnerehepaar um ein paar Schuhe und eine Jacke bat. Die Frau, ca. 70 Jahre alt, hatte Sommerschuhe an und ihr Mann, ca. 80 Jahre alt, nur eine sehr dünne Jacke. Beiden konnte sehr schnell und unbürokratisch geholfen werden. Sie erzählten mir, dass die Rente immer nur bis zur Monatsmitte reicht und es ihnne deshalb nicht möglich ist, sich mit neuer Kleidung auszustatten. Ich sehe sie immer ab Monatsmitte in der Warteschlange stehen und auf das Essen warten.

Nur noch so zur Info: In Berlin haben wir ca. 11.000 Menschen, die auf der Straße leben, und unzählige, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Aus diesem Grund bitten wir alle Berliner, auch weiterhin zu spenden. Nahrungsmittel, Kleidung und Schlafsäcke werden in der Bahnhofsmission am Zoo immer benötigt. Wir freuen uns aber auch über Geldspenden, gerne auch in Form von Einkaufsgutscheinen.
[Manfred Müller aus Berlin-Wannsee,
www.strassenfeger.org]


 
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