Ursula Czaika, Leiterin der Bahn-
hofsmission Ostbahnhof Berlin,
(2.v.r.) mit Gästen und Mitarbei-
tenden. Foto: Anne Kunzmann
Die älteste Bahnhofsmission Deutschlands am Berliner Ostbahnhof feiert Jubiläum
BERLIN. „Die Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof ist wohl auch das älteste ökumenische soziale Projekt in Deutschland“, sagte Prälat Tobias Przytarski in seiner Predigt. Der Generalvikar des Erzbistums Berlin Mehr... gratulierte heute der ältesten Bahnhofsmission zu ihrem 120-jährigen Bestehen. Die Hoffnung, dass niemand ein hoffnungsloser Fall sei, motiviere die vielen, vor allem ehrenamtlich Mitarbeitenden zu ihrer täglichen Arbeit, so Przytarski.
„Wieviel Dank in den Herzen der Menschen, die in den vergangenen 120 Jahren hier in dieser Bahnhofsmission Unterstützung bekamen, präsent sein muss“, betonte Ulrich Seelemann, Konsistorialpräsident der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, in der gemeinsamen ökumenischen Predigt mit Przytarski. Zu den Gästen der offiziellen Jubiläumsfeier gehörte auch Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales im Berliner Senat, der sich ausdrücklich für den Einsatz der Ehrenamtlichen bedankte, die jeden Tag rund 150 Menschen am Berliner Ostbahnhof in kleinen und großen Nöten helfen.
Vorbildliches Konzept
Gegründet wurde die Bahnhofsmission 1894. Der heutige Ostbahnhof hieß damals noch Schlesischer Bahnhof und im Volksmund wegen der vielen dort ankommenden meist katholischen Reisenden aus Schlesien "Katholischer Bahnhof". Bürgerliche Frauen beider christlicher Konfessionen sowie aus der jüdische Gemeinde boten jungen Frauen Hilfe an, die auf Arbeitssuche nach Berlin kamen . Diese waren oft von sozialer und sexueller Ausbeutung bedroht. Dagegen wollten die damaligen "Freundinnen junger Mädchen" etwas tun - zumeist engagierte Christinnen aus der bürgerlichen Mittelschicht. Das Konzept verbreitete sich rasch in ganz Deutschland. Aus der Bewegung entstand unter anderem die Vorläuferorganisation des heutiigen Trägers IN VIA - Katholischer Verband für Mädchensozialarbeit im Erzbistum Berlin. Heute gibt es mehr als 100 Bahnhofsmissionen in Deutschland. Die Station am Berliner Ostbahnhof war zwischen 1956 und 1989 die einzige Bahnhofmission in der damaligen DDR.
Die Arbeit der Bahnhofsmission ist vergleichbar mit einem Seismografen: Veränderungen oder Erschütterungen in der Gesellschaft lassen sich hier sehr schnell ablesen. So ist heute bei den Besuchern eine starke Zunahme von psychisch auffälligen, suchtmittelabhängigen und wohnungslosen Menschen festzustellen. Eine Kernaufgabe ist, niederschwellige Hilfe für Menschen in Not am Bahnhof ohne Ansehen der Nationalität, Religionszugehörigkeit, Hautfarbe und Geschlecht anzubieten. Die Bahnhofsmission hilft aber auch allen Reisenden, die Orientierung suchen, beim Ein-, Aus- und Umsteigen. So wird jede Zugreise für Eltern mit Kindern und Menschen mit eingeschränkter Mobilität leichter. Reisende können sich auszuruhen und bei einer Tasse Tee auf den Anschlusszug warten.
Unterstützer mit osteuropäischen Sprachkenntnissen gesucht
Heute arbeiten vier hauptamtliche und 20 ehrenamtliche Mitarbeiter sieben Tage die Woche, jeweils von 8 bis17 Uhr in der Bahnhofsmission am Ostbahnhof. Täglich besuchen 150 Hilfesuchende und Reisende die Einrichtung. "Wir sind dankbar, dass wir in den vielen Jahren immer wieder Menschen gefunden haben, die sich dieser anspruchsvollen Arbeit mit ganzem Herzen widmen. Ohne unsere Ehrenamtlichen wäre das alles gar nicht denkbar. Wir sind dringend darauf angewiesen, dass sich freiwillige Helfer bei uns engagieren. Das schönste Geschenk zum Jubiläum wäre es, wenn sich Unterstützer mit osteuropäischen Sprachkenntnissen in der Bahnhofsmission melden würden", so Anne Dietrich-Tillmann, Geschäftsführerin von IN VIA.
Die IN VIA Vorsitzende Dr. Gabriele Pollert begrüßte als weitere Gäste der Jubiläumsfeier die Berliner Caritasdirektorin Ulrike Kostka, den Berliner Bahn-Chef Ingulf Leuschel sowie Prof. Bruno Nikles, der einen Vortrag zur Bahnhofsmission im Wandel der Zeit Die musikalische Begleitung übernahmen Ehrenamtliche und Gäste. [Anne Kunzmann/IN VIA Berlin]
Weitere Informationen