"Am Gleis 1" – so lautet heute schlicht die Anschrift der Bahnhofsmission in Lüneburg. Seit 100 Jahren bemühen sich dort ehrenamtliche Helferinnen und Helfer um Fahrgäste, Pendler, Fahr-Schüler Mehr... und Flüchtlinge. Oft sind sie die direkten Ansprechpartner für Menschen, die Hilfe brauchen – nicht nur beim Umsteigen zwischen den Zügen.
Die Chronik nennt 1916 als ersten Eintrag. Die Lüneburger Einrichtung wird als angeschlossene Station des Verbandes der evangelischen deutschen Bahnhofsmission genannt. Seit 1952 ist die Lüneburger Bahnhofsmission eine evangelisch-katholische Einrichtung. In der Chronik heißt es auch: „Sie ist ein kirchlicher Dienst, in dem Tat und Verkündigung eine Einheit bilden, und sozialer Dienst, der offen ist für alle Menschen.“
1960 erfolgte der Umzug von der ursprünglich genutzten Baracke in das Gebäude Bahnhofstraße 2. Im Jahr 1961 wurden erstmals auch Fahrschüler betreut. Für 1970 gibt es den letzten Eintrag für eine Übernachtung. Der bis dahin übliche Nachtdienst wurde eingestellt.
Zahl der Besucher aus DDR nimmt ständig zu
1972 erreichte die Lüneburger Bahnhofsmission mit 11.868 betreuten Fahrschülern ihr Rekordergebnis. In der Folgezeit nahm auch die Zahl der Besucher aus DDR ständig zu. Seit 1985 gab es wieder eine katholische Leiterin. Brigitte Gollan hat diesen Posten lange Zeit ausgefüllt.
Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums im Jahr 1986 nennt die Chronik als Schwerpunkte der Arbeit: Ein-, Aus- und Umsteigehilfen für allein reisende Kinder sowie ältere und behinderte Menschen, Beratungen und Auskünfte, Betreuung von Besuchern aus der DDR und Aussiedlern aus Osteuropa. Der Personenkreis der psychisch Auffälligen nahm zu. Geholfen wurde Verwirrten, Ausreißern, Strafentlassenen, Obdachlosen und unsicheren Ausländern, die oft auch an geeignete Beratungsstellen vermittelt wurden. Eine Essensausgabe erfolgte vorwiegend an DDR-Bürger, Aussiedler und Nichtsesshafte. Getränke wurden ausgegeben an Fahrschüler, Kindertransporte und DDR-Bürger.
Besonders herausgefordert wurde die Bahnhofsmission im Jahr 1989. Fast täglich trafen im Sommer polnische Staatsbürger als Asylsuchende ein. Im August und September setzte die Fluchtbewegung von DDR-Bürgern über Ungarn und Österreich nach Bayern ein. Am 5. Oktober hielt in Lüneburg der erste Sonderzug mit ca. 700 DDR-Bürgern, die aus Prag ausreisen durften. Insgesamt wurden in vier Sonderzügen ca. 3.300 Übersiedler von der Lüneburger Bahnhofsmission versorgt. Nach dem Fall der Mauer kamen tägliche viele DDR-Besucher und Übersiedler in die Mission, die oft die erste Anlaufstelle im „freien Westen“ war.
Seit 1991 veränderte sich die Arbeit der Bahnhofsmission. Die Betreuung der DDR-Bürger entfiel. Stattdessen nahm die Zahl der betreuten Obdachlosen zu. Wirklich helfen konnten die Mitarbeiter/innen nur mit Eintopf, Kaffee und belegten Broten sowie der Vermittlung zu den Beratungsstellen und zur „Herberge zur Heimat“.
1996 erfolgten umfangreiche Umbaumaßnahmen am Lüneburger Bahnhof. Die Bahnhofsmission erhielt die Kündigung für die Räume in der Bahnhofstraße 2. Stattdessen wurden kleinere Diensträume am Gleis 1 zur Verfügung gestellt, die keine Lebensmittelbevorratung mehr erlaubten. Seitdem bilden die Hilfen am Zug und auf dem Bahnsteig – oft auch mit Unterstützung der Bahnbediensteten – die zentralen Aufgaben der Bahnhofsmission. Natürlich fehlten auch nach dem Umzug die Auskunftserteilung und die Hilfen in Notsituationen nicht.
Seit August 2011 ist Anke Sondermann ehrenamtliche katholische Leiterin der Bahnhofsmission.
Erreichbar ist die Lüneburger Bahnhofsmission unter Tel. 0 41 31 / 5 15 21 und E-Mail: lueneburg bahnhofsmission.de - Die Bahnhofsmission am Gleis 1 ist montags bis freitags in der Zeit von 8 Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet.
Am Sonntag, 30. Oktober 2016, um 10.30 Uhr findet ein ökumenischer Festgottesdienst zum Jubiläum der Bahnhofsmission in St. Stephanus statt.
[Kath. Pfarrgemeinde St. Marien Lüneburg]
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