Viele Hilfesuchende befinden sich in
komplexen Notlagen.
Foto: Werner Krüper
Die Zahl der Hilfesuchenden bei den Bahnhofsmissionen steigt. Immer seltener reiche eine Tasse Tee, kommentiert Hedwig Gappa-Langer von IN VIA Bayern. Die Menschen kommen mit multiplen Problemen. Passende Angebote in den Kommunen seien Mehr... dringend erforderlich. Die Anlaufstellen am Bahnhof müssten angemessen ausgestattet werden.
Die ökumenischen Bahnhofsmissionen bieten seit mehr als 120 Jahren an Bahnhöfen Hilfe für Menschen in Notsituationen. Ihr Name mag wie aus der Zeit gefallen klingen. Ihr Angebot ist es nicht. Denn Bahnhöfe sind heute nicht nur Mobilitätsknoten, sondern auch Treffpunkte für „Heimatlose" und „Reisende" aller Art – Migrantinnen und Migranten, aber auch Frauen und Männer, die in unserer Gesellschaft keinen Platz finden. Offen für alle, leicht erreichbar und ohne Termin nutzbar, sind die Bahnhofsmissionen für viele ein erster, immer häufiger auch letzter Anker und ein Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen.
Seit Jahren steigt die Zahl Hilfesuchender mit multiplen sozialen Problemen – oft wohnungslos oder in prekären Lebensverhältnissen, viele mit gesundheitlichen Einschränkungen, psychischen Handicaps oder suchtkrank. Diese Menschen machen im bundesweiten Durchschnitt inzwischen die Hälfte, in den Metropolbahnhofsmissionen drei Viertel der Gäste aus.
Angebote für Hilfesuchende mit komplexen Notlagen fehlen
Die Gründe sind vielfältig: Zu viele Menschen sind vom Wohlstand abgehängt – ohne Aussicht auf Besserung. Für ihre Weitervermittlung fehlen in den Kommunen oft passende Angebote und Kapazitäten. Dies gilt besonders für Frauen und Männer ohne Leistungsansprüche. Dazu kommt, dass viele das Hilfesystem bereits mehrfach durchlaufen haben.
Armut, Krankheit an Körper und Seele, Verzweiflung und keine Möglichkeit zur Hilfe: Das muss man als Helferin oder Helfer erst mal aushalten. Vor allem für die zahlreichen ehrenamtlich Mitarbeitenden, die sich neben den wenigen Hauptamtlichen um die Bedürfnisse und Nöte der Menschen kümmern, ist dies eine enorme Belastung. Immer seltener reicht eine Tasse Tee und ein freundliches Wort. Die Notlagen sind komplex und scheinen oft aussichtslos. Die Organisation passender Hilfe dauert Stunden, manchmal sogar Tage. Und dies bei vielerorts prekärer finanzieller Ausstattung der Bahnhofsmissionen selbst.
Die Arbeit nicht Ehrenamtlichen an den Bahnhöfen überlassen
Was tun? Es geht nicht an, dass die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, aber auch die Kommunen die „Ärmsten der Armen" aus den Augen verlieren – und die Arbeit Ehrenamtlichen an den Bahnhöfen überlassen. Aus humanitärer und christlicher Sicht dringend geboten sind passende Angebote in den Städten und Gemeinden auch für all diejenigen, die vermeintlich keine Zukunft haben und vermutlich nie wieder ein (monetär) „gewinnbringendes" Mitglied dieser Gesellschaft werden. Wenn wir für sie die Anlaufstellen an den Bahnhöfen erhalten wollen, müssen diese personell und finanziell angemessen ausgestattet werden. Generell sind aber Konzepte gefragt, wie diese Menschen einen würdigen Platz in unserer Gesellschaft erhalten.
[Kommentar für die Fachzeitschrift Neue Caritas von Hedwig Gappa-Langer, Referentin für die katholischen Bahnhofsmissionen bei IN VIA Bayern und Vorstandsmitglied für die katholischen Bahnhofsmissionen in München]