Berlin, 12. Dezember 2022 - Inflation, wachsende Armut, die Versorgung von Geflüchteten – das deutsche Gesundheitssystem ist den aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen. Davor warnt eine zivilgesellschaftliche Allianz anlässlich des heutigen Welttags der allgemeinen Gesundheitsversorgung. Mehr...
Die Bundesregierung muss zügig Maßnahmen ergreifen, um Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland zu gewährleisten und diskriminierende Hürden abzubauen. Das fordern die NGO Ärzte der Welt, die Diakonie Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK).
"Deutschland stellt sich als Musterbeispiel dar, aber immer noch können Hunderttausende notwendige medizinische Leistungen nicht in Anspruch nehmen", kritisiert Robert Limmer von der Clearingstelle München.
Mitarbeitende in Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung erleben täglich die Auswirkungen der zahlreichen Barrieren: "Ich habe zum Beispiel schwangere Frauen beraten, die erst kurz vor der Geburt das erste Mal von einer Gynäkologin untersucht wurden. Diese Situation birgt eine große Gefahr für Mutter und Kind", sagt Nele Wilk von der Clearingstelle Rheinland-Pfalz.
Häufig suchen Geflüchtete, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus sowie erwerbslose oder prekär beschäftigte Menschen aus andern EU-Ländern Unterstützung bei den Anlaufstellen. Aber auch zahlreiche deutsche Staatsbürger*innen, die sich vor allem die Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten können, sind darunter.
Offizielle Daten, wer in Deutschland nicht krankenversichert ist, sind unzureichend. Zum besseren Verständnis des Problems will Ärzte der Welt mit seinem heute erscheinenden Gesundheitsreport beitragen. "60 Prozent der Patient*innen haben angegeben, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten darauf verzichtet haben, eine Arztpraxis oder Klinik aufzusuchen, obwohl sie krank waren. Bei obdachlosen Patient*innen waren das über 80 Prozent“, sagt Ärzte der Welt-Referentin Janina Gach.
Zahlreiche ehrenamtlich getragene medizinische Versorgungsprojekte sowie von Kommunen und Ländern eingerichtete Clearingstellen versuchen, die klaffende Lücke im deutschen Gesundheitssystem notdürftig zu schließen. Doch sie arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten.
"Jeder Mensch muss sich darauf verlassen können, dass er Zugang zu medizinischer Versorgung bekommt. Gesundheit ist ein Menschenrecht und das muss in Deutschland für alle hier lebenden Menschen gelten – ohne Einschränkungen", sagt Maike Grube, Referentin für gesundheitliche Versorgung der Diakonie Deutschland.
Angesichts der sich zuspitzenden Lage fordern die Organisationen und Verbände die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, und folgende Maßnahmen zu ergreifen:
Hintergrund:
Seit Jahrzehnten bemühen sich zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschen ohne Krankenversicherung zu versorgen. Zum großen Teil wird diese Leistung durch ehrenamtlich tätiges medizinisches Personal erbracht. In den vergangenen Jahren haben zudem einige Länder und Kommunen Clearingstellen eingerichtet. Diese unterstützen Menschen dabei, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder zu klären, wie die Kosten für eine Behandlung gedeckt werden können. Indem die Clearingstellen anonymisierte Behandlungsscheine ausstellen, können sie kurzfristig Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Clearingstellen sind bisher aber noch nicht flächendeckend eingerichtet worden und sind nicht für alle Ratsuchenden in erreichbarer Nähe. Zudem existieren weder einheitliche Standards noch eine ausreichende und langfristige Finanzierung.
Weiterführende Links:
• Gesundheitsreport von Ärzte der Welt
https://www.aerztederwelt.org/gesundheitsreport
• Politische Ziele der BACK:
https://anonymer-behandlungsschein.de/gemeinsame-politische-ziele-des-back/
• Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe:
https://www.bagw.de/de/themen/zahl-der-wohnungslosen/uebersicht
• Verzeichnis Anonyme Behandlungsscheine, Clearingstellen und Gesundheitsfonds:
www.anonymer-behandlungsschein.de
• Gesundheitsversorgung in Ihrer Nähe:
www.gesundheit-ein-menschenrecht.de
Kontakt - Bei Rückfragen oder Interviewanfragen können Sie sich gerne melden bei:
• Stephanie Kirchner, Pressereferentin Ärzte der Welt e. V., presse@, +49 (0)159 0406 2104 aerztederwelt.org
• Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK): presse@ anonymer-behandlungsschein.de
• Pressestelle Diakonie Deutschland: pressestelle@, +49 (0)30 65211 1780 diakonie.de
• Andreas Pützer, Andreas Pützer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BAGW: Telefonnummer: Tel +49 (0)30 2844 537 22, andreaspuetzer@ bagw.de
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Die Diakonie ist die soziale Arbeit der evangelischen Kirchen. Bundesweit sind 599.770 hauptamtliche Mitarbeitende in rund 33.000 ambulanten und stationären Diensten der Diakonie wie Pflegeheimen und Krankenhäusern, Beratungsstellen und Sozialstationen mit 1,2 Millionen Betten/Plätzen beschäftigt. Der evangelische Wohlfahrtsverband betreut und unterstützt jährlich mehr als zehn Millionen Menschen. Etwa 700.000 freiwillig Engagierte sind bundesweit in der Diakonie aktiv.
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