10. APRIL 2020

Gedanken am Karfreitag

In der Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, der Diakonie Stetten, in der ich viele Jahre Vorstandsvorsitzender gewesen bin, ist jetzt der erste Bewohner gestorben: ein Mann, den ich selber noch kannte. Ich weiß, was das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet, für die Mitbewohner, schon in „normalen Zeiten“, wenn ein Bewohner stirbt und ein Mensch, mit dem einen viele Jahre verbinden, gehen muss. Mit wieviel mehr Unsicherheit und Ängsten ist das jetzt gepaart, wo die Pandemie herrscht. Der Tod kommt uns näher. Vielleicht im eigenen Umfeld, vielleicht bei Menschen, die regelmäßig die Angebote der Bahnhofsmission besucht haben? So nah ist uns der Tod noch nie gekommen, und wir werden selbst in unseren Gedanken mit ihm konfrontiert. Was macht das mit uns?


Jesus hat seinen schweren Leidensweg hinter sich. Daran denken wir am heutigen Karfreitag, dem Tag des Karens, der Trauer.Jesus wurde ans Kreuz gehängt und hauchte dort sein Leben aus. Er hätte gerne auf diese Erfahrung verzichtet, ja er hatte Gott sogar darum angefleht. Aber er musste sterben. In dieser Situation spricht er die Worte laut hörbar: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23, 46). Er überlässt sich ganz seinem Gott.
Diese Worte können auch zu unseren Worten werden. Sie sind sehr befreiend, denn sie geben Halt und vertiefen das Vertrauen. Sie entlasten von dem: „Ich muss alles selbst in die Hand nehmen!“ Sie geben den Trost, Menschen bei allem Schmerz und aller Trauer zu verabschieden. Und sie geben die Kraft, selbst das anzunehmen, wogegen sich alles in uns sträubt, wenn Widerstand und Aufbegehren aufgebraucht sind. Das bedeutet aber auch, unser tägliches Leben, das wir als viel gefährdeter erleben, mit mehr Bewusstsein und Zugewandtheit zu leben. Wenn wir jetzt im Vertrauen leben, finden wir Sinn und Halt, gerade auch dann, wenn wir für andere da sind.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Karfreitag.

 

Ihr

 

Klaus-Dieter Kottnik

 

 

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de