14. JUNI 2020

Gedanken zum 1. Sonntag nach Trinitatis 2020

Wir erleben in diesen Tagen ein weltumspannendes Bewusstsein für Ungerechtigkeit unter jungen Leuten. Tausende auf der ganzen Welt haben an ein und demselben Tag unter dem Motto „Black lives matter“ demonstriert. In Stuttgart habe ich die konzentrierte, gewissenhafte, aber auch fröhliche Atmosphäre miterlebt, in der eine unübersehbare Zahl verschiedener junger Menschen aufgetreten ist, um auf die Ungerechtigkeiten, die sich in unseren Gesellschaften, nicht nur in Amerika, zeigen, aufmerksam zu machen und Änderungen zu fordern. Das gleiche erleben wir auch bei den Auftritten junger Menschen, die für ein neues Klimabewusstsein und damit gravierende Verhaltensänderungen demonstrieren.


In den vergangenen Monaten konnten viele Bahnhofsmissionen ihren Dienst  aufrechterhalten, weil ebenso junge Menschen, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren oder ihren Bundesfreiwilligendienst angetreten haben, da sind. Die Coronakrise hat es verstärkt: es ist nicht mehr die Zeit für Egotrips und Ellenbogen, sich besser zu verkaufen als andere und den anderen zu übervorteilen. Manchmal hatte man den Eindruck, dass unser Bildungssystem gerade dazu erzieht. Ein Bewusstsein von Gemeinschaft, Mitmenschlichkeit und auch weltumspannender Gerechtigkeit macht nun auf sich aufmerksam. „Black lives matter“ bedeutet „All lives matter“ (Jedes Leben zählt).


Als Christen können wir das nur begrüßen und uns darüber freuen. Jesus hat mit seinen Auftritten in der Öffentlichkeit sehr klare Worte gegen Ungerechtigkeit, Unmenschlichkeit und die Verdrängung anderer Menschen gesagt und damit Stellung bezogen. Und er ist für ein neues Verhalten eingetreten.


In den Bahnhofsmissionen erleben wir immer wieder Menschen, die eine Lebensgeschichte voller Ungerechtigkeiten zu ertragen haben – sie kommen aus unterschiedlichen Nationen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Bahnhofsmissionen sollen Orte sein, an denen Mitmenschlichkeit, Verständnis und Respekt vorgelebt werden, sowohl im Miteinander als auch im Dasein für die Gäste und Reisenden. Dafür sind Bahnhofsmissionen ein einmaliges Übungsfeld, in das sich auch junge Menschen einbringen.


Jesus spricht darüber mit seinen Jüngern: „Wer euch hört, der hört mich, wer euch verachtet, der verachtet mich“ (Lukas 10,16a). Wir wollen den Worten Jesu in unserem Verhalten Gehör verschaffen und zusammenstehen, wenn wir dafür angegriffen werden. Denn kein anderer als Jesus Christus steht zu uns.

 

Ihr

Klaus-Dieter Kottnik

 

 

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de