„Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“
Ein Wochenspruch, der ja nicht besser zu uns und unserer Arbeit passen könnte… ist mein erster Gedanke! Da könnte ich ja mal loslegen und – tue es aber nicht! Gerade weil dieser Vers aus dem Matthäus-Evangelium ja so offensichtlich und so gut zu unserer Arbeit in den Bahnhofsmissionen passt, stutze ich. Klar kann ich jetzt über all die Menschen schreiben, die wir jeden Tag am Bahnhof treffen, denen das Leben schon sehr viel Mühe beschert hat und die durch Schicksalsschläge, Erkrankungen oder andere Unwägbarkeiten des Lebens mehr als belastet sind. Klar kann ich darüber schreiben, was dies insbesondere jetzt in Corona-Zeiten bedeutet und wieviel schwieriger die Situation für die Meisten dadurch noch geworden ist. Klar kann ich darüber schreiben, was es bedeutet sich diesen Menschen anzunehmen und wie es unsere Aufgabe sein kann, dem Zuspruch Jesu: „ich will Euch erquicken.“ ganz konkret Leben einzuhauchen. Doch ich denke, dass darüber ja schon viel geschrieben oder gesagt ist.
„Kommt her ALLE,…“ – was ist denn eigentlich mit den Mitarbeitenden in den Bahnhofsmissionen?
Jörg Zink hat diesen Bibelvers so übersetzt: „Kommt her zu mir, die ihr müde seid und ermattet von übermäßiger Last. Aufatmen sollt ihr und frei sein.“
Seit mittlerweile einem guten Vierteljahr leben wir unter Bedingungen, die wir uns nie haben träumen lassen und auch, wenn wir es in der Bahnhofsmission eigentlich immer gewohnt sind, zu improvisieren und uns ständig neuen Herausforderungen stellen müssen, ist jetzt ALLES neu, anders und Kräfte zehrend. In der dritten Woche unseres shut-downs in Oldenburg fragte mich doch ein Anrufer, ob ich mich sehr langweile und vermutete, dass doch gar nichts zu tun sei. Ich war doch ziemlich sprachlos! Soviel wie in den ersten Wochen der Pandemie hatte ich vorher noch nie telefoniert – und ich telefoniere, wie alle meine Kolleginnen und Kollegen, sowieso schon viel! – soviel wie in den ersten Wochen der Pandemie habe ich nicht „das geht jetzt so nicht mehr“ denken müssen – sehr oft in den ersten Wochen der Pandemie konnte ich kaum abschalten, musste umdenken – neu denken – anders denken – das Thema, die Problematik und auch die Sorge um diejenigen, die uns in unserer Arbeit anvertraut sind und um meine Kolleginnen und Kollegen im Ehrenamt, war allgegenwärtig. Und genauso wird es vielen Kolleginnen und Kollegen deutschlandweit ergangen sein.
Ideen sind gefragt, Kreativität, neue Formen der Improvisation, trotzdem Genauigkeit in der Umsetzung der Abstands- und Hygieneregeln und Vorsicht ohne Angst und Panik zu schüren…
„Kommt her zu mir, die ihr müde seid und ermattet von der übermäßigen Last. Aufatmen sollt ihr und frei sein“ – Ja! Die letzten Wochen haben viele von uns müde werden lassen, haben uns doch mehr Kraft abverlangt als wir manchmal haben. Dann ist dieser Zuspruch schon eine Entlastung! Da steht nicht – Jesus löst die Probleme! Aber wenn wir ihm vertrauen, dann können wir Luft holen, können für einen Moment die Fragen und Aufgaben sein lassen, uns wieder aufrichten und dann, wenn wir wieder richtig zu Atem gekommen sind, weiter gehen. Und so wünsche ich allen zu Beginn der Sommerzeit, dass es gute Möglichkeiten gibt, Atem holen und sich wieder aufrichten zu können – ob zu hause oder an einem guten anderen Ort.
Herzlichst Ihre Doris Vogel-Grunwald
Diakonin Doris Vogel-Grunwald ist Leiterin der Bahnhofsmission in Oldenburg.
Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg;
Landesverband Oldenburg