12. JULI 2020

Gedanken zum 5. Sonntag n. Trin., 12. Juli 2020

Ein Geschenk löst in der Regel Freude aus. Wenn ich einen Gegenstand erhalte, der mir gefällt, freue ich mich. Aber im Laufe der Zeit tritt auch Gewöhnung ein und ich freue mich, wenn ich wieder etwas Neues bekomme. Dazu haben wir die Feiertage, weil wir da auch Geschenke geben oder erhalten können. In den Bahnhofsmissionen gibt es solche Geschenke z.B. an Weihnachten für die Gäste, manchmal auch an anderen Zeiten. Und sie lösen immer auch Freude aus.


Aber leicht gewöhnt man sich an die Geschenke oder sie geraten gar in Vergessenheit. Kürzlich fand ich ein Buch, das ich vor vielen Jahren geschenkt bekommen habe und längst vergessen hatte. Ich merkte, dass es auch keine besondere Bedeutung für mich hatte. Also löste es auch nicht mehr viel bei mir aus.


Anders ist das mit den Geschenken, die nicht in materieller Form kommen. So kann Liebe ein Geschenk sein oder Zuneigung. Ganz ohne Vorankündigung sind sie einfach da. Und sie bedeuten mir viel. Solche Erfahrungen machen das Leben erst richtig lebenswert. Aber selbst diese können vergehen und verblassen, wenn sie nicht immer wieder neue Nahrung in Form von Zeichen und Gesten bekommen. Auch diese Geschenke sind nicht immerwährend da, sondern müssen in ihrer Wirkung immer wieder bestärkt werden.


Anders ist das mit dem Glauben. Er ist ein einmaliges Geschenk, das nicht von uns Menschen kommt. Er meldet sich in der Form von Geborgenheit, die ich mir nicht selbst geben kann. Ich wurde bewahrt, obwohl ich mir das nicht verdient habe. Ich habe Mut bekommen, obwohl ich eigentlich verzagt war. Ich konnte aufstehen, obwohl ich eigentlich keine Kraft hatte. Ich konnte vergeben, obwohl ich eigentlich zunächst Wut gespürt habe. Ich habe nicht aufgegeben, obwohl es eigentlich aussichtslos war. Ich konnte mich dem Leben anvertrauen, obwohl ich Angst vor dem Sterben hatte. So manche Ereignisse im Leben sind es, bei denen wir merken, dass wir von etwas begleitet werden, das uns unverfügbar ist. Und das gibt Zuversicht. Und das lässt uns nicht verloren gehen. Das ist der Glaube, die Geborgenheit, die uns Gott schenkt: „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gnade ist es“ (Epheser 2,8). So steht es im Neuen Testament.


Es gibt vieles im Leben, das uns bedrücken mag. Aber es gibt auch das andere, dieses Geschenk der Gnade, das sich als Geborgenheit zeigt, oft dann, wenn wir gar nicht daran denken. Es ist einfach da, so wie Gott einfach da ist. Darauf können wir uns immer verlassen.

 

Klaus-Dieter Kottnik

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de