20. SEPTEMBER 2020

Gedanken zum 15. Sonntag nach Trinitatis

Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrusbrief 5,7)


Schon seit langer Zeit gibt es in meiner Kirchengemeinde die Tradition der Sommerkirche: ein Thema, das sich in mehreren Teilaspekten über mehrere Sonntage entfaltet – mit besonderer Musik und nach dem Gottesdienst mit Gesprächen im Austausch mit anderen Mitgliedern aus der Gemeinde. In diesem Jahr das alles unter „Corona-Bedingungen“ und mit eben diesem Thema: „Krise = Gefahr und Chance“


Als ich zu Beginn der Ferien las, dass Covid-19 nun auch Inhalt der Sommerkirche sein sollte, war ich – wie manch einer heute neudeutsch sagt – „not amused“. „Kann es denn nicht wenigstens mal einen Ort geben, wo dieses Thema vor der Tür bleibt?“ dachte ich bei mir…


Andererseits… dominiert nicht dieses Thema in jeder Hinsicht gerade alles: jedes einzelne Land auf dieser Welt, jede Industrie, jegliche Form von ökonomischen, industriellen, politischen oder gesellschaftlichen Verflechtungen und Zusammenhängen, jeden Einzelnen und jede Einzelne, ob jung oder alt, arm oder reich, wo auch immer auf dieser Welt? Und dann erwarte ich, dass es ausgerechnet da vor der Tür bleibt, wo es doch unbedingt zur Sprache kommen muss: vor Gottes Angesicht.


Wenn nicht hier, wo sonst sollten wir mit all unseren Zweifeln und Fragen, mit all unseren Gedanken und Bedenken, mit all unseren Sorgen hin? Also umso mehr war ich gespannt auf das, was mich erwartete.


Im Gottesdienst haben wir dann den Text eines Liedes mitlesen können, der genau das zum Inhalt hat:


Weise uns den Weg Gott, geh mit!
Begleite du uns, Gott, Schritt für Schritt.


Wo wir stolpern, straucheln, zagen, wo uns Angst lähmt, zu versagen: Weise uns den Weg, Gott, geh mit.

 

Weise uns den Weg Gott, geh mit!

Behüte du uns, Gott, Schritt für Schritt.


Wo wir zweifeln, hadern, ringen, wo wir nichts zustande bringen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.


Weise uns den Weg Gott, geh mit!
Beflügle du uns, Gott, Schritt für Schritt.


Wo wir suchen, forschen, fragen, wo wir Misserfolg ertragen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.


Weise uns den Weg Gott, geh mit!
Sprich du uns Mut zu, Gott, Schritt für Schritt.


Lass in deinem Licht uns gehen, lass uns deine Spur klarsehen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.                            
                                                                                                             Text Eugen Eckert 2015
                                                                                                     Melodie Joachim Raabe 2015

 

Eugen Eckert beschreibt in diesem Lied in den ersten Strophen genau das, was Petrus in seinem Brief an die Gemeinde in den damaligen römischen Provinzen mit „eure Sorgen“ zusammenfasst: alle nur erdenklichen menschlichen Facetten des Sich Sorgens wie „zagen“, „zweifeln“, „hadern“, „ringen“, „suchen“, „forschen“, „fragen“ – und Petrus Aufforderung an die Gemeinde wirkt einfach: „All Eure Sorgen werft auf Ihn, denn er sorgt für euch“.

 

Aber wie geht das denn nun ganz praktisch – heute, im Spätsommer 2020, nach einem Lockdown, unter Coronabedingungen, mit all den Demonstrierenden in Berlin und andernorts, mit all denen, die versuchen, diese Krise für ihre politischen verqueren Gedanken auszunutzen, mit dem für alle bedrohlichen Klimawandel, mit den brennenden Flüchtlingscamps in Moria auf Lesbos, mit den Geflüchteten überall auf dieser Welt?
Sicherlich geht es nicht wie bei „wünsch Dir was“. Sicherlich geht es nicht wie beim Wunschzettel ans Christkind. Auch ist darin keine Aufforderung zum Nichtstun zu sehen oder die Hände in den Schoß zu legen. Für mich bedeutet dieser Aufruf vielmehr, nicht wie das Kaninchen in seinem Bau zu verharren oder im Grübeln oder im Klagen bzw. in der Anklage gefangen zu bleiben. Vielmehr stelle ich mir vor, dass ich als Christenmensch die Freiheit habe, zu versuchen, mit Kreativität, Verstand, mit Ideen und Tatkraft das Sorgenvolle zu überwinden.


So, wie Eckert es textet: „Beflügle Du uns…“ – „Sprich du uns Mut zu…“ – „Lass in Deinem Licht uns gehen, lass uns deine Spur klar sehen…“
 
Das wünsche ich uns allen, dass wir im Vertrauen auf Gott den richtigen Weg gehen können.

                                           Weise uns den Weg, Gott, geht mit!
Ihre
Doris Vogel-Grunwald

 

 

Diakonin Doris Vogel-Grunwald ist Leiterin der Bahnhofsmission in Oldenburg.

Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg;
Landesverband Oldenburg