01. NOVEMBER 2020

Gedanken zum Sonntag, 01. November 2020

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Römer 12, 21)


„Lass dich nicht vom Bösen überwinden“. Es gibt viele Arten, sich vom Bösen überwinden zu lassen: wir können davor kapitulieren, uns zurückziehen und sagen oder denken: wir können ja eh nichts machen oder ändern, die Welt ist halt so und sie ist im Grunde schlecht.


Aber was bedeutet das anderes als diese Welt denen zu überlassen, die – aus welchen Gründen auch immer – sich durchsetzen auf Kosten anderer und ohne Rücksicht auf Verluste. Was die Konsequenzen einer solchen Haltung sein können, das haben Menschen in diesem Land und durch dieses Land vor 70 und mehr Jahren leidvoll erleben müssen. Die Kapitulation vor dem Bösen bahnt den Weg zu weiteren Gewalttaten und zu einer Welt, in der kein Vertrauen mehr möglich und kein Leben mehr sicher ist. Hier setzt schon für Paulus im Römerbrief die Aufgabe staatlichen Rechts und wo nötig stattlicher Gewalt an: da Menschen Böses tun, ist, wie wir das heute ausdrücken, das staatliche Gewaltmonopol notwendig. Dabei hat der Staat sich allerdings auf den notwendigen Rechtsschutz zu konzentrieren und auch zu beschränken.


Die andere Art, sich vom Bösen überwinden zu lassen, besteht darin, unserem Denken und Handeln selbst den Geist des Bösen nachahmen oder gar selbst übernehmen. Eine solche Haltung ist gerade für Opfer des Bösen menschlich verständlich und nachvollziehbar. Trotzdem stellen die biblische Tradition und mit ihr auch Jesus selber einem solchen Denken den Auftrag zur Begrenzung von Gewalt und das Gebot der Feindesliebe entgegen. Diesen Auftrag greift Paulus hier auf mit den Worten: „überwinde das Böse mit Gutem“.


Hier werden unsere Phantasie und unser Vertrauen gefordert: unser Vertrauen, dass es sich lohnt und auf lange Sicht verheißungsvoll und richtig ist, diesem Auftrag zur Feindesliebe zu entsprechen, aller Gewalt und aller Bosheit zum Trotz, und unsere Phantasie, kreativ zu sein und Zeichen des Vertrauens und Zuwendung zu setzen in eben dieser Welt, die deutlich erkennen lassen, dass es gelingt,  Situationen der Feindschaft zu durchbrechen statt sie im Geist der Vergeltung zu verfestigen.


Auch unsere alltägliche Arbeit in der Bahnhofsmission ist im Grunde ein Ausdruck des Vertrauens und der Hoffnung, die in dieser Aufforderung des Paulus zum Ausdruck kommt – und damit ein kleines, aber wichtiges Zeichen des Vertrauens auf den lebensschaffenden und – fördernden Geist, der Liebe - aller Gewalt, Bosheit und Resignation zum Trotz.


Was das bedeuten kann, das hat Hanns Dieter Hüsch in seiner unnachahmlichen Weise so beschrieben:

 

Was macht, dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen.
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
will mich durchs Leben tragen.

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit.
Mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
Das Elend und die Zärtlichkeit.

Amen

 

 

Hans Höroldt, Leverkusen  

 

 

Hans Höroldt

Leiter des Diakonischen Werks Leverkusen & Diakoniepfarrer