18. NOVEMBER 2020

Gedanken zum Buß und Bettag, 18. November 2020

Sprüche 14,34 Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben.

 

Alljährlich ruft uns der Buß- und Bettag auf zur Umkehr und zum Gebet. Es geht um Reue für begangenen Sünden und eine Besinnung auf den Gottesglauben.


Hören wir den Ruf dieses Tages in unserer lauten und schnelllebigen Gesellschaft? Nehmen wir diesen Tag wahr mit seinem Angebot, Inne zu halten und sich der eigenen Verfehlungen bewusst zu werden und sich zu besinnen?
Was hören wir überhaupt von dem, was Jesus Christus uns gesagt hat, über den Weg der mit Hilfe des Glaubens zu Gott führt?


Was nehmen wir wahr von Bußrufen und Bettagen in einer Zeit, die seit Jahren schon die Adventszeit durch Konsumfreude charakterisiert, anstelle von Besinnung, die durch neue Events, wie den „Black Friday“ (dieses Jahr am 27.11.) und noch neuer dem sogenannten „SinglesDay“ – jährlich aufgrund der Zahlenfolge eins am 11.11. zu neun Wochen Dauerkonsum unter leuchtendem LED-Flackern animiert. Hieran ändert auch die corona-bedingte Entschleunigung in den Einkaufsstraßen nur wenig, glitzert es doch in den Online-Shops nur umso bunter.


Was steckt nun hinter diesem Buß- und Bettag? Hier hat es pointierter noch niemand gesagt, als Helmut Gollwitzer in seiner Bußtagspredigt von 1938:


„Nun wartet draußen unser Nächster, notleidend, schutzlos, ehrlos, hungernd, gejagt und umgetrieben von der Angst um seine nackte Existenz, er wartet darauf, ob heute die christliche Gemeinde wirklich einen Bußtag begangen hat. Jesus Christus wartet darauf!“


Und noch immer wartet unser Nächster da draußen auf eins. Ein anderer als einst. Jedoch mit den gleichen Attributen: notleidend, schutzlos, ehrlos, hungernd, gejagt und umgetrieben von der Angst um seine nackte Existenz.


Und dieser Nächste, der so bezeichnet ist, begegnet uns wohl nur an wenigen Stellen in unserer satten und reichen Gesellschaft deutlicher als in der Bahnhofsmission. Dort wo er nicht nur vor der Tür steht, sondern wo er von Ihnen eingelassen wird. Wo dem Menschen nicht nur die Tasse Kaffee oder Tee gereicht wird, sondern wo der Notleidende Schutz findet, ausruhen und durchschnaufen darf und wo er zumindest für einen Moment wieder zum Menschen wird. Dafür sorgen Sie, liebe Haupt- und Ehrenamtliche der Bahnhofsmission. Und zwar nicht jeden Tag, nicht nur am Buß- und Bettag.


Und wenn wir uns dies vergegenwärtigen, dann wird durch Ihr Handeln deutlich, dass Sie mit dem Hilfesuchenden auch Jesus Christus einlassen und die Bahnhofsmissionen zur lebendigen Kirche Gottes an den Bahnhöfen dieses Landes werden. Bleiben Sie durch ihre Gerechtigkeit die sie den Notleidenden, Hungernden und Gejagten in der Bahnhofsmission zuteilwerden lassen, erhöht und behütet in der Gnade Gottes.


Ingo Grastorf

 

 

 

 

Ingo Grastorf

Zentrumsleitung

Zentrum Engagement, Demokratie und Zivilgesellschaft Berlin