„Ich würde gerne mit meinem Club 50 Weihnachtspäckchen mit dringend benötigten Sachen packen und diese dann zur Bahnhofsmission bringen. Meinst Du, dass das gebraucht wird?“ So schrieb mir ein Freund vor ein paar Tagen. Und freilich, es wird gebraucht. Hilfsbereitschaft können wir überall erleben in diesen Tagen, wo sich mancherorts an unsere Bahnhofsmissionen Menschen wenden, die wir noch nie gesehen haben. Andernorts machen wir uns Gedanken, was aus Menschen geworden ist, die regelmäßig zu uns gekommen sind. Wir wissen ja, dass sie Hilfe und Unterstützung brauchen.
Es ist schon ein eigenartiges Weihnachtsfest, das auf uns wartet. Die Weihnachtsmärkte sind geschlossen. Der Weihnachtsschmuck in den Geschäften ist nicht so überbordend wie in den letzten Jahren. Zwar werden einzelne Straßen weihnachtlich erleuchtet, wie bei uns in Berlin der Kurfürstendamm. Aber die Äußerlichkeiten, die eine festliche Stimmung aufkommen lassen, sind in der Öffentlichkeit nicht so präsent wie bisher gewohnt. Jedoch der Briefkasten ist voll mit Werbung darüber, wie wir unser Heim ausschmücken sollen. Aber so recht wissen wir noch nicht, wie das werden soll. Auch unsere Familie wird nicht als Ganzes zusammenkommen, die Rücksicht aufeinander legt das nahe. Weihnachten 2020! Deutsche Weihnacht ist weltweit ein Begriff. Was nun?
Mit dem 1. Advent beginnt diese besondere Zeit des Jahres. Hilft jetzt, wo viele stimmungsvolle Gegenstände und Begebenheiten zurücktreten müssen, die Konzentration auf das Wesentliche? Können wir gar Weihnachten neu entdecken? Vielleicht hilft der biblische Wochenspruch für diese 1. Adventswoche? „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer“ (Sacharia 9,9b). Mit dem Begriff König können wir nicht mehr so viel anfangen, er erinnert eher – auch bei den modernen Königen – an Märchenfiguren. Die Bibel meint jedoch mit dem König denjenigen, der für unser Leben umfassende Bedeutung hat, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Wir nennen ihn Gott. Er hat ein Gesicht, das sich in den Bezeichnungen Gerechter und Helfer widerspiegelt. Gerechtigkeit und Hilfe haben für unser Leben umfassende Bedeutung. In Jesus wurde dieses Gesicht Gottes Mensch und ist in unserer Mitte bis heute erfahrbar.
Wenn wir an den Bahnhofsmissionen für Menschen da sind, die durch gesellschaftliche Ungerechtigkeit, persönliche Umstände oder auch eigenes Zutun in ungerechten Zuständen leben müssen, bekommt dieses Gesicht durch unser Dasein einen Widerschein. Gott hat Jesus in dieser Welt ein Gesicht gegeben, damit Menschen da sind, die sich von seiner Gerechtigkeit und Hilfe anstecken lassen. Das Geheimnis: diese Erfahrung tut der eigenen Seele gut.
Vielleicht kann es ein Weihnachten werden, wo das besonders wichtig wird, wichtiger als in den vergangenen Jahren. Ob das in der Bahnhofsmission ist oder bei Menschen, die uns begegnen, im häuslichen Umfeld oder in der Familie. Die Adventszeit ist zur Einstimmung und eigenen Sensibilisierung dafür da. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit. Und bleiben Sie behütet.
Pfarrer Klaus-Dieter Kottnik
Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.
Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@ bahnhofsmission.de