10. JANUAR 2021

Gedanken zum 10. Januar 2021

„Nicht ganz bei Trost sein“
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jesaja 66,13)

 

Unsere Welt schreit derzeit heftig auf: Wir erleben Krisen und Wunden, im persönlichen Bereich, in der Familie, in unseren Freundschaften. Menschen, mit denen wir vertrauensvoll unterwegs sind, werden krank oder hecheln durchs schnelle Leben. Und in der großen Geschichte sehen wir immer noch tausende von Menschen auf der Flucht, mit der verwundeten Hoffnung auf eine Zukunft, die sich auch als eine solche zeigt – und nicht nur als Schrecken ohne Ende. Abgebrochene Beziehungen: zur Heimat, zur Verwandtschaft, zu den Freunden. Weg von Schüssen und Toten, von Gemetzel und Morden, weg von Arbeits-und Perspektivlosigkeit.
Wieviel „Pflaster“ wären nötig, um den Schmerz dieser gezeichneten Welt zu lindern? – Das Leben weint und blutet… Und unsere Bahnhofsmissionen  – auch sie sind nicht immer ein Ort der Glückseligkeit! Auch hier gibt es Enttäuschungen, Streit, Worte, die verletzen. „Gut, wenn man eines hat“, ein Trostpflaster!
Vielleicht eines mit Gesicht, mit Augen, Ohren, Händen –und freundlicher Stimme. Gut, wenn man eine/n hat: einen Menschen, der mein Leben etwas leichter macht. Mir zur Seite steht und zu mir hält. Der Trost spendet. Tränen abwischt. Mir Gelassenheit in der Hitze des Lebens ermöglicht. Der sich mir zuwendet und mir Neues zutraut: „Genug geweint! Jetzt steh‘ auf und geh‘ los!“ Er mutet mir etwas zu und macht so Mut. Trostpflaster, die das Leben freundlicher machen. Mit all den Kontaktbeschränkungen gerade keine einfache Sache. Doch digital ist vieles möglich, wenn es ein „in den Arm nehmen“ nicht ersetzen kann.

 

Immer wieder weint und blutet unser Leben: wir selbst und – vielleicht noch stärker – in unserem Umfeld. Dann braucht es „menschliche Pflaster“ – und gut, wenn man eines bekommt. An Gottes Seite, denn – ich weiß nicht, ob er sie erfunden hat – aber „Gott liebt Trostpflaster“. In der Bibel sagt er deutlich: „Ich werde alle eure Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Klage und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal war, ist für immer vorbei.“ (nach Offenbarung 21,4) Oder eben wie bei Jesaja: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jesaja 66,13) Für Gottes Trösten sind dabei immer zwei Dinge zentral: trostvolles Hinhören und Verstehen sowie zutrauende kraftspendende Zumutung. Im Wort „Trost“ stecken auch diese beiden Aspekte: vertrauen und zutrauen. Das sind die Grundstoffe für die göttlichen Pflaster! Dir und dem Menschen in Not neben dir wendet sich Gott zuhörend und verstehend zu: „Ich bin da wie eine fürsorgliche Mutter. Hab‘ keine Angst. Vertraue!“ Und er mutet dir etwas zu, das dir Mut macht: „Ich glaube an dich und dass du das kannst. Probiere es aus: Steh‘ auf und gehe los! “Wer dieses tröstliche Pflaster Gottes erfährt, wird selbst zu einem menschlichen „Pflaster Gottes“ werden: Er wird mitwirken, dass andere das Leben leichter und freundlicher erfahren, indem auch er hinhört und versteht, indem auch er die Begabungen und Schönheiten anderer sieht und ihnen etwas zumutet. So wirst du an der Seite Gottes selbst zu einem Trostspender und Mutmacher. Gut für unsere weinende blutende Welt, gut für uns untereinander, gut für unsere Bahnhofswelt, unsere Familien – und: gut für dich selbst. Du wirst beschenkt mit Leben und Zufriedenheit. Darum achte auf seine Zusage: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Lass dich trösten von diesem mütterlichen Gott: Höre, wie Gott dir zuhört, dich versteht. Und entdecke, wie er zu dir und deinen Gaben zutrauen hat: dich stark findet! So kannst du – selbst getröstet – anderen zum Trost werden. Mit Gott durchs Leben gehen, heißt tatsächlich ganz bei(m) Trost zu sein.

Amen.


Diakon Carsten Baumann

 

Diakon Carsten Baumann
Leiter Bahnhofsmission Frankfurt am Main