10. OKTOBER 2021

Gedanken zum 19. Sonntag nach Trinitatis

Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. (Jeremia 17, 14)

 

Beim ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 2021 wirkten auch ein jüdischer Rabbi und ein moslemischer Imam mit. Zur Eröffnung des Gottesdienstes sprachen sie zusammen mit dem Pfarrer der Pauluskirche in Halle Worte der Begrüßung,  am Schluss zusammen mit dem Bischof Segensworte auf Deutsch, Hebräisch und Arabisch, jeweils mit Worten aus der Bibel und dem Koran. Was für ein heiles Bild in dieser Stadt, in der vor wenigen Monaten ein Anschlag auf die Synagoge verübt wurde und Menschen moslemischen Glaubens aus reinem Hass getötet wurden! Warum kann unser Leben nicht immer so sein wie in diesem Gottesdienst,  dachte ich, von den Bildern und Worten angerührt.

 

Tatsächlich machen uns Unheil, innere Abwehr gegen andere Menschen, auch Aggressivität im Umgang miteinander zu schaffen. Das Misstrauen hat in der Pandemie zugenommen.  Andere Menschen werden eher als Bedrohung wahrgenommen, als dass ihnen mit Offenheit und Vertrauen begegnet wird. Wie kommen wir da raus?

 

Heilen kann nur, wer selber Heilung erlebt hat. Ein Elternteil, das ein verletztes Kind in den Arm nimmt und ihm „Heile, heile Segen ..“ ins Ohr singt, wäre schnell bei dem Kind unglaubwürdig, wenn es nicht vom heilenden Inhalt seiner Worte überzeugt wäre.

 

Gott spricht Heilung zu. Auch dort, wo die Verletzungen riesig sind und kaum heilbar erscheinen.  Die Worte Jesu am Kreuz, der wohl schlimmsten, weil tödlichen Verletzung eines menschlichen Lebens,  führen dies vor: „Vater, ich gebe meinen Geist in Deine Hände". Solch riesiges Vertrauen kann uns Vorbild sein. Jesu Worte sind heilsam.

 

Wo solches Vertrauen unser Herz und unseren Verstand ergreift, da können wir selber zu Menschen werden, die sich heilsam in ihre Umgebung einbringen. Auf diese Weise entfalten sich heilsame Prozesse in unserer Gesellschaft.  Und daran mitzuwirken,  ist auch heilsam für die eigene Seele. Die Menschen sehnen sich nach Heil. Jeder und jede von uns kann dabei einen Part übernehmen:“Hilf mir, dann ist mir geholfen".

 

 

Klaus-Dieter Kottnik

Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe 

Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@bahnhofsmission.de