In einem kleinen Film des WDR-Kinderfernsehens (https://youtu.be/CdJPDlO3m6s) wird die Geschichte vom Hl. Martin etwa so erzählt: Martin war ein römischer Soldat, der keine Lust zum Töten hatte. Vielmehr half er den Kranken, den Hungernden, den Armen und den Frierenden. Er selbst besitzt ein Pferd, eine Rüstung, ein Mantel, ein Schwert und einen Helm. Dann kommt die Geschichte, die die meisten von uns seit Kindertagen kennen und die vielfach im Rahmen von Martinsumzügen nachgespielt wurde: Martin begegnet einem Bettler, der keinen Mantel hat und friert. Da Martin außer Schwert und Pferd selbst nur das hat, was er am Leib trägt, greift er kurz entschlossen zum Schwert und teilt seinen Mantel. Eine Hälfte übergibt er dem Bettler, der sich nun besser vor Kälte schützen kann.
Die Geschichte geht weiter: Martin wollte nicht mehr Soldat sein und wurde Mönch. Als in Tour ein neuer Bischof gesucht wurde, kam man auf ihn. Martin wollte jedoch kein Bischof werden, weil es seiner Bescheidenheit nicht entsprach. Er wollte sich dem entziehen und versteckte sich in einem Gänsestall. Das aufgeregte Schnattern der Gänse verriet sein Versteck. Er wurde gefunden und zum Bischof erkoren.
Die Geschichte des Hl. Martin wird auch heute – vor allem Kindern -als Sinnbild eines Teilens vermittelt, das nicht meint, alles abzugeben, sondern eben zu teilen. Die kindgerechte Darstellung im erwähnten Film erfasst einige Dimensionen von Martins Wirken nicht. Er half, wo andere nur Zuschauer waren und ihn verspotteten. Er war Sohn eines römischen Generals. Was mag es wohl für die Familie bedeutet haben, als er entschied, nicht mehr Soldat sein zu wollen und sich dem christlichen Glauben ganz zuzuwenden. Nach seinem Entschluss dauerte es noch Jahre, die vermutlich nicht leicht für ihn waren, bis die Armee ihn gehen ließ. Er setzte sich bereits vor über 1.700 Jahren mit Not und Armut der Menschen auseinander in dem Bewusstsein, das sie auch Resultat einer wegschauenden und stigmatisierenden Gesellschaft waren. Ein Predigttext von Dr. Stephan Schlager (Predigt über Martin von Tours (predigtpreis.de) entfaltet noch mehr von diesem sozialkritischen „sanften Rebell“ – wie er ihn nennt. Schlager endet seine Predigt mit einem Text von Lothar Zenetti:
Was keiner wagt, das sollt ihr wagen
was keiner sagt, das sagt heraus
was keiner denkt, das wagt zu denken
was keiner anfängt, das führt aus
Wenn keiner ja sagt, sollt ihr's sagen
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben
wenn alle mittun, steht allein
Wo alle loben, habt Bedenken
wo alle spotten, spottet nicht
wo alle geizen, wagt zu schenken
wo alles dunkel ist, macht Licht.
Eine wahrlich passende Botschaft zum Martinstag!
Marion Paar
Marion Paar
Generalsekretärin IN VIA
Katholischer Verband für Mädchen- und
Frauensozialarbeit - Deutschland e.V.