23. JANUAR 2022

Gedanken zum 3. Sonntag nach Epiphanias

Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. (Lukas 13, 29)

 

„Vermittlung, Vermittlung“ ruft der aufgeregte Mann mit dem grauen Hut in den Telefonhörer und betätigt hektisch den vor ihm an der Wand hängenden altmodischen Telefonapparat. Vergeblich, er erreicht niemanden. Während sein Kopf und seine Schultern kurz resigniert nach vorne sacken, schwillt die Filmmusik des Schwarz-Weiß-Streifens aus den 40iger Jahren dramatisch an. Ein ungewisses Schicksal nimmt seinen Lauf, dass wir im Weiteren gebannt verfolgen.

 

Als Zuschauer auf der Couch im heimischen Wohnzimmer fiebern wir mit und fühlen uns dabei gleichzeitig, sicher und geborgen in unseren vier Wänden. Die realen Nicht-Vermittelbarkeiten in der Welt blenden wir dabei einen Moment lang aus.

 

Die ereignen sich, während wir auf dem Sofa sitzen, gerade im gefrierenden Matsch der Flüchtlingslager an der polnisch-belarussischen Grenze, auf Flüchtlingsbooten im Mittelmeer, im Grenzgebiet zwischen Russland und der Ukraine oder auch auf deutschen Marktplätzen, wo Menschen sich immer unversöhnlicher gegenüberstehen im Ringen um die Deutungshoheit in der Corona-Pandemie.

 

Was sich gegenwärtig in Teilen der Welt vollzieht, ist das ziemliche Gegenteil der so hoffnungsverheißenden Prophezeiung aus dem Lukas-Evangelium.

 

Osten und Westen, Norden und Süden– das sind zu oft nicht die Richtungen aus denen die Menschen zusammenströmen, um gemeinsam ihren Platz an der Tafel einzunehmen. Es  sind die globalen Trennungs- und Konfliktlinien, die dort verlaufen:  zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, zwischen Religionen und Kulturen, zwischen den Völkern, zwischen arm und reich, zwischen oben und unten und all dem, was uns sonst noch voneinander trennt. Das Trennende bleibt übermächtig, allen Bemühungen um Vermittlung und Gerechtigkeit zum Trotz. Es sind zu viele Menschen, die darunter leiden und einem ungewissen Schicksal entgegen sehen.

 

Wie schön, dass es andere Orte gibt,  Orte die von Menschen gestaltet werden, um Gottes Menschenfreundlichkeit erfahrbar zu machen, heute, ganz real, mitten unter uns.

 

 „Alle Menschen, die zu uns kommen, heißen wir als unsere Gäste willkommen“ heißt es im Leitbild der Bahnhofsmission und wer sich in eine hineinbegibt, wird die Vielfalt der Himmelsrichtungen erahnen, aus der die Gäste hergekommen sind, um ein Weilchen miteinander am Tisch zu sitzen, Schutz zu finden, sich zu erholen, umgeben von der Freundlichkeit der Menschen, die hier arbeiten. Die Prioritäten stimmen: es sind Letzte und nicht Erste, an die hier gedacht wird.

 

Mit Menschen, denen das Leben nicht freundlich gesonnen ist, Gottes Liebe gemeinsam erfahren und erfahrbar zu machen: Was für eine schöne Aufgabe in diesem Stück Himmel am Bahnhof. Es gibt weitere solche Orte: auf Seenotrettungskreuzern beispielsweise und  auf Intensivstationen, in LKWs mit Rettungsgütern und medizinischen Versorgungszelten, in Kältehilfen und Familienberatungsstellen.

Allen, die sich an diesen Orten engagieren, sei gedankt für ihre Solidarität.

 

Herzlich Ihr

 

Christian Bakemeier

 

Christian Bakemeier

Evangelische Geschäftsführung

Bahnhofsmission Deutschland e.V.