27. MÄRZ 2022

Gedanken zu Lätare

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein;

wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12,24)

 

Wir Menschen sagen manchmal Sätze und später werden diese zitiert, oft ohne dass der genaue Zusammenhang genannt wird.

 

So ergeht es auch unserem heutigen Satz zum Weizenkorn. Dieser Spruch steht nur einmal in allen vier Evangelien und dann noch an einer sehr eigentümlichen Stelle. Tauchen wir in die Szene einmal genauer ein.

 

Jesus ist in Jerusalem angekommen. Viele Menschen, nicht nur Juden, sind von ihm begeistert oder an ihm interessiert. Dazu gehören auch Griechen, die als Pilger zum großen Passah-Fest der Juden in Jerusalem sind. Nun wenden sie sich an einen der Jünger Jesu mit der Bitte ihn doch persönlich zu sprechen. Ob dieses Ansinnen wohl erfolgreich ist? Jesus ist doch sonst so gesprächsbereit.

 

Wie wäre das heute? Vor einer großen wichtigen Feier im eigenen Verband oder in der Bahnhofsmission wollen Interessierte noch die Leitung sprechen. Sie sind an ihr persönlich interessiert, wollen so über die Botschaft der Einrichtung oder des Verbandes mehr wissen, weil sie überlegen dort Mitglied zu werden, sich freiwillig engagieren wollen oder Werbeträger mit Überzeugung bei anderen sein zu wollen. Hätten solche Interessierte gute Chancen über die Sekretärin oder andere Freiwillige zur Leitung vorzudringen?

 

Zumindest schaffen es die Griechen, dass der eine Jünger – Philippus – gemeinsam mit einem anderen Jünger – Andreas – Jesu fragen, ob er Zeit für sie habe. Doch damit ist „Ende im Gelände“. Jesus antwortet sinngemäß: Jetzt ist Zeit für die große Aktion! Ich muss öffentlichkeitswirksam handeln, ich darf nicht für mich oder nur einen kleinen Kreis aktiv sein, so bringe ich „viel Frucht“. So ist jetzt nicht mehr die Zeit für Einzelgespräche. Alles weitere bekommen die griechischen Pilger als Zeugen mit, so bekommen sie ihren persönlichen Eindruck von Jesus – wenn auch nicht im Einzelgespräch.

 

Und heute? Wie reagieren wir als „angefragte Jünger“, als Leitung vor einer großen Aktion auf eine solche Anfrage? Haben wir weiterhin Zeit für unsere Gäste trotz großer Vorbereitungen? Sind wir offen für neue Freiwillige, obwohl doch Entscheidendes zu klären ist? Ist unsere „große Aktion“ so öffentlichkeitswirksam, dass sie auf neue Interessierte überzeugend wirkt? Hoffentlich!

 

Zum Satz von Jesus selbst noch mal zurück:

Mir, Dir und Ihnen stellt dieser Satz ganz persönlich immer wieder neu die Frage:

Wie viel bin ich gewillt für eine Sache, ein Engagement, ein Thema an Energie einzusetzen?

Will ich dabei wirklich Alles einsetzen?!

 

Peter Nagel

Peter Nagel

Theologe, Sozialarbeiter,

Referent für Bahnhofsmissionen

für die Caritas in Niedersachsen/Bremen

(2007 - 2020)

 

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