19. JUNI 2022

Gedanken zum 1. Sonntag nach Trinitatis

"Wer hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich." (Lukas 10,16a)

 

"Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich."
sagt Jesus zu seinen Jüngern, die er in die Welt schickt und durch die er spricht. Für uns gilt das auch - im Alltag, in der Bahnhofsmission, mit Gästen und Kolleg*innen.

 

„Wer euch hört, …“,

da ist jemand und sagt etwas, wird gehört und verstanden. Das Gesagte kommt an und hilft weiter.

 

„… der hört mich“.

Da ist viel Achtung und Zutrauen zu spüren, aber auch Anspruch und Anforderung. Das eine tut gut, das andere ängstigt, überfordert: „Meine Worte, so gottverbunden, dass sie wirken!?“

 

„Wer euch verachtet“,

da ist jemand und meckert, macht andere mies und schaut auf sie herab.

So etwas kennen wir alle. Es ist gut, das nicht so an sich heranzulassen, und zu spüren „Ich bin nicht allein“, denn „Wer euch verachtet, der verachtet mich.“

Das tröstet und gibt Hoffnung.

 

Was tun wir?

Was können wir tun?

 

Überlegen, wo laufen Dinge gut?

Wo sind Menschen zufrieden? Wo entwickelt sich etwas?

Das ist doch da, wo Menschen einander zuhören, wo Menschen sich angenommen fühlen, sich und anderen vertrauen, wo sie Freude miteinander haben, wo sie etwas gemeinsam tun, wo sie glücklich sind. Da lässt sich etwas entwickeln, da entsteht etwas, was Energie gibt und zufrieden macht.

Dies gelingt in Bahnhofsmissionen oftmals. „Hier hört mir jemand zu.“  heißt es dann oder „Die sind gut hier. Hier wird einem geholfen.“, „Man trifft hier immer jemanden.“ Neulich bedankte sich in Hildesheim eine Reisende mit einer Zeichnung und den Worten „Vielen Dank, für einen Kaffee und Freundlichkeit in der Oase der Bahnhofsmission“.

 

Wo laufen Dinge schlecht?

Wo klappt etwas nicht? Wo tauchen Schwierigkeiten auf?

Dann, wenn Menschen andere Menschen(gruppen) verachten, wenn sie den anderen nichts zutrauen, wenn sie sie beleidigen, herabwürdigen.

Da lässt sich schwer etwas entwickeln. Es entsteht im besten Falle schlechte Laune, oft genug Aggression, Gewalt und im schlimmsten Fall Krieg.
 

Wir wissen, dass das auch in Bahnhofsmissionen passiert: Gäste machen andere Gäste oder Mitarbeitende an, Teams sind sich nicht grün, Träger und ihre Bahnhofsmissionen haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Arbeit laufen kann und soll.

 

Und was wollen wir?

Wir wollen zusammen Sachen machen, zusammensitzen und reden, froh und zufrieden sein. Wir wollen in Frieden leben, alle sollen genug zu essen und zu trinken haben. Manche werden jetzt denken: ganz schön naiv.

Kann sein, aber was ist falsch daran?

 

Da liegt doch Segen drauf, wenn wir

fröhlich sind miteinander statt ständig gegeneinander,

uns mögen und gegenseitig ernstnehmen, statt draufzuhauen,

uns gegenseitig vertrauen.

 

Wir wollen lieber gehört als verachtet werden.

Und wir können uns darin begleitet wissen.

 

"Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich."
Amen


Was wollen wir?

Zu dieser Frage fiel es mir zunächst leichter, meine Gedanken im badischen Dialekt aufzuschreiben. Um der besseren Verständlichkeit willen habe ich es dann doch ins Hochdeutsche umgeschrieben.

Wer mag, kann die Dialektversion hier lesen:

„Mir welle zsomme Sache mache, zsomme hocke und schwätze, froh und zfriede si.

Mir welle in Friede läbe, alli solle gnug z‘esse un z‘trinke ho un jedes Tierli si Plaisirli.  Monche werre jetzt denke: ganz schön naiv.

Konn si, aber was isch do dro so schlimm?

Do liegt doch Sege druf, wenn mer

fröhlich sin mitnonder statt ständig gegenonder,

uns gern hän un uns gegesitig ernst nämme statt „druf haue“

un uns gegesitig vertraue.

Mir welle lieber ghört werre als verachtet.

Nor si’mer au nit allein.“


Barbara Ziegler

Barbara Ziegler

Geschäftsführerin Deutsche Evangelische Bahnhofsmission,

Landesgruppe Niedersachsen, Hannover