31. JULI 2022

Gedanken zum 7. Sonntag nach Trinitatis

"So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." (Eph 2,19)

 

Es hat mir schon immer gefallen, dass die Menschen, die in die Bahnhofsmission kommen, als Gäste bezeichnet werden. Es sind keine Kunden, keine Klienten, keine Schützlinge, nein es sind Gäste. Das gilt für die Reisenden, die in den Räumen der Bahnhofsmission eine Pause machen oder auf den Anschlusszug warten müssen. Das gilt aber auch für die Menschen, die auf andere Weise ‚unterwegs‘ sind und bei der Bahnhofsmission vorbei schauen - sei es, weil sie kein Zuhause haben und sich in der Bahnhofsmission aufwärmen und stärken wollen, sei es, weil sie allein sind oder krank und sich einfach nach Gesprächsmöglichkeiten und etwas Freundlichkeit sehnen. In der Bahnhofsmission können Sie ein Wort loswerden, sich nicht als Fremde, sondern als Mitmenschen behandelt fühlen, eben als Gäste, zu denen wir ja sonst auch gerne sagen: Fühl dich nicht fremd. In der Bahnhofsmission erfahren Menschen, was Gastfreundschaft bedeutet.

 

Nicht immer ist es für die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission einfach, solche Gastgeber zu sein. Es gibt auch schwierige Gäste, unbequeme Zeitgenossen, Menschen, die durch Sucht oder psychische Erkrankung kein leichter Umgang sind. Gemeinsam und mit viel Erfahrung tragen die Teams in den Stationen auch diese Gäste. Daran musste ich denken, als ich das Bibelwort für die kommende Woche las. Es richtet sich an Christen und spricht sie mit ungewöhnlichen Bezeichnungen an: Mitbürger und Gottes Hausgenossen. Christen werden als die bezeichnet, die im Glauben in sehr enger Beziehung zu Gott stehen, aus seiner Kraft und Liebe leben können. Wer Gottes Hausgenosse ist, der gehört dazu und wird sich in seinem Leben von Gottes Maßstäben bestimmen lassen, Dinge und Menschen so sehen, wie Gott sie sehen würde. Jesus hat uns da viel von Gottes Sichtweise auf diese Welt erzählt und es in seinem Handeln erfahrbar gemacht. So wissen wir, dass Gott alle Menschen liebt und ihnen Würde und Schutz zuspricht. Diesen Satz können Christen in ihrem praktischen Leben anderen Menschen zur Erfahrung werden lassen – z.B. in der Arbeit der Bahnhofsmission, die in den bequemen wie auch den unbequemen Gästen Mitmenschen sieht, die gastfreundlich behandelt werden. So erleben sie: Sie sind bei Gott willkommen. Bei ihm dürfen sie sich zuhause fühlen.

 

Jörg Hagen

Propst des Ev.-luth. Kirchenkreises Uelzen,

Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen 

der Deutschen Evangelischen Bahnhofsmission

Jörg Hagen

Propst i. R., Lüneburg