14. AUGUST 2022

Gedanken zum 9. Sonntag nach Trinitatis

"Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern." (Lk 12,48)

 

Wenn ich diesen Satz lese, bin ich erst mal nicht so begeistert, habe eher kein gutes Gefühl.

„umso mehr fordern“

 

  • da sind so Gäste in der Bahnhofsmission, denen auch der dritte Kaffee und die zweite Unterhose am Tag nicht reicht, sie „fordern“ mehr…
  • da sind manchmal die Vorgesetzten, die neue Ideen haben oder auch der Massengeschmack (neudeutsch mainstream), der jetzt grundsätzlich die weibliche Form mit genannt haben will…
  • und als Festangestellter in Erfahrungsstufe der Diakonie wird der steuerliche „Mittelstandsbauch“ ja auch immer deutlich spürbarer in einem immer größer werdenden Abstand zwischen dem, was meine Stelle kostet und dem was auf meinem Konto ankommt…

 

Ja, wenn ich den Bibelvers so deute: „Mir ist viel gegeben, bei mir wird man viel suchen; und weil mir viel anvertraut ist, wird von mir umso mehr gefordert.“ Ja dann kann ich mich schon mal ungut, vielleicht auch über – fordert fühlen.

 

Aber Moment mal…

 

  • Wenn mir „viel gegeben“ ist, dann habe ich ja auch viel.
  • Mir ist ja „viel anvertraut“!

 

Ich stehe hinter dem Tresen und gebe Kaffee raus. Ich nehme Spenden an und verteile sie weiter.

Ich habe das Wissen und die Kontakte, wann wo welcher Zug fährt.

Eine sehr lang gediente Bahnhofsmissionsleiterin hat mir auf meine Frage, wieso sie nach dem Kontakt mit einem sehr fordernden Gast so ruhig bleiben kann, geantwortet:

„Ja, ich weiß doch, auf welchem Kissen in welchem Bett ich heute Abend mein Haupt bette!“

 

JA, genau, ich – wir haben doch viel!

 

Doch Vorsicht! Jetzt kommt die Gefahr der stolz geschwellten Brust, droht schnell die Überheblichkeit, jedenfalls bei mir. Da hilft die schweizerische Frage „Wer hat`s gemacht?“.

 

Im Bibeltext heißt es: „viel gegeben“ und „viel anvertraut“. Da ist also jemand, der mir viel gibt, der mir viel an – vertraut. Ja, wenn ich ehrlich auf mein kleines Leben schaue, bekomme ich pausenlos Geschenke. Selbst mein Fleiß und mein Durchhaltevermögen sind kaum selbst erarbeitet, sondern mit-gegeben auf meinen Lebensweg.  Und mir wird vertraut, dass ich sorgsam mit dem Geschenkten umgehe und es liebevoll weitergebe.

 

Bleibt noch die Frage nach dem „Woher“ oder besser noch persönlich „Von wem?“

 

Das Glück kann mir nichts geben und vertrauen kann es mir schon gar nicht. Da muss also „Jemand“ – eine Person sein…

Als Christ empfinde ich als größtes Glück, Gott nahe zu sein (Die Bibel, Psalm 73,28).

Von meinem Schöpfer gewollt und beschenkt zu sein.

Mir ist eine persönliche Beziehung zu meinem Schöpfer geschenkt worden.

 

Jetzt bin ich doch von diesem Bibelvers begeistert und kann gut akzeptieren, dass “bei mir viel gesucht und gefordert“ wird. Ich hab`s ja schon – ohne Gegenleistung- geschenkt bekommen.

 

Freut sich Constantin Schnee von der Bahnhofsmission Halberstadt

Constantin Schnee
Leiter Ökumenische
Bahnhofsmission Halberstadt