31. OKTOBER 2022

Gedanken zum Reformationstag

„Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor. 3,11)

 

Es gibt keine andere Zeit im Jahr, an der ein evangelischer und ein katholischer Feiertag so dicht nebeneinander liegen. Der Reformationstag erinnert vor allem in den lutherischen Kirchen an die wichtigste Person der Reformation, an Martin Luther. Und Allerheiligen weitet den Blick auf alle Heiligen der katholischen Kirche. In der evangelischen Kirche spielt die Heiligenverehrung keine besondere Rolle. Dafür ist Martin Luther so etwas wie ein evangelischer Heiliger geworden. Viele Kirchengebäude sind nach ihm benannt. Aber gleichzeitig wissen wir heute, dass Martin Luther viele Fehler hatte. Wegen seines Antisemitismus gibt es sogar Diskussionen, ob nicht Straßennamen, die nach ihm benannt sind, umbenannt werden müssten. Und wer sich mit den Heiligen der katholischen Kirche beschäftigt, wird auch entdecken, dass in jedem Leben auch Schattenseiten stecken. „Wir sind alle keine Heiligen“, sagt man manchmal entschuldigend und damit auch verharmlosend.

 

Wie Martin Luther sind die Heiligen oft wegen einiger ganz herausragender Taten aus der Masse der Gläubigen hervorgehobe. Bei Martin Luther sind es eben seine großen reformatorischen Erkenntnisse, dass allein die Bibel, allein der Glaube, alleine die Gnade selig machen. Der große Kirchenvater Augustinus war vom Lebemann zum überzeugten Christen geworden, wie er in seinen Bekenntnissen aufgeschrieben hat. Er wurde zu einem der wichtigsten Denker der Kirche mit Einfluss auf das christliche Denken bis heute. Gleichzeitig lebte er ein völlig freudloses Christentum, das auch Zwang auf Andersdenkende ausübte.

 

So könnte man jedes Leben durchgehen, auch unser eigenes Leben. An all dem wird deutlich, wie sehr wir darauf angewiesen sind, mit unseren Fehlern und Schwächen angenommen zu sein und immer wieder neue Anfänge zum Guten zu machen. Das ist die Essenz des christlichen Glaubens, denn einen anderen Grund kann niemand legen als Christus, den, der immer wieder neu die Chance zur Vergebung und zum Neuanfang gibt. Wer so lebt, ist immer schon ein Heiliger oder eine Heilige.

 

Klaus-Dieter Kottnik

 

Klaus-Dieter Kottnik

Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe 

Vorsitzender des Bahnhofsmission Deutschland e.V.

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@bahnhofsmission.de