"Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!" (2. Korintherbrief (6,2))
Jetzt ist die Zeit der Gnade?
Jetzt ist der Tag des Heils?
Zweieinhalb Jahre Corona mit allen Ängsten, Einschränkungen und Toten sind noch nicht vorbei.
Da beginnt am 24. Februar 2022 ein Krieg in Europa in dessen Folge weitere Tausende getötet werden, sich Hundertausende auf die Flucht machen und in Europa Millionen nicht wissen, wie sie ihre Energierechnungen bezahlen sollen oder wie sie bei enorm gestiegenen Preisen die notwendigen Lebensmittel für sich und ihre Familien kaufen können. Auch kleine und große Betriebe wissen oftmals nicht, wie sie weiterhin wirtschaften sollen, wenn Produktionsmittel unbezahlbar werden.
Dies soll eine Zeit der Gnade sein? Dies ist der Tag des Heils?
Wir alle kennen dies auch ohne Corona und in Friedenszeiten: Wir wissen, was zu tun ist, packen es aber nicht an. Wir haben einen Plan aber zögern, loszulegen.
Wir sind wie blockiert, die Dinge einfach mal zu machen. Dies ist kein neues Problem. Schon der biblische Apostel Paulus als Verfasser des Korintherbriefes kennt diesen Zustand und sieht es bei den Gläubigen der frühen Gemeinde. Sie wissen um das Angebot der bedingungslosen Hilfe Gottes, sie wissen um die Lösung, aber sie lassen vorhandene Missstände weiter bestehen.
Daher ruft Paulus die Korinther dazu auf: Verschwendet keine Zeit! Denn: Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils!
Paulus ist einer, der am eigenen Leib erfahren hat, was es heißt, andere leiden zu sehen und selber zu leiden. Er hat es erlebt, ausgeliefert zu sein: den Gewalten der Natur, den Grausamkeiten der Menschen, der Willkür der Einflussreichen. Paulus redet nicht aus der Position eines distanzierten Betrachters, sondern aus eigenem Erleben. Und eine Umgebung, die viele Menschen zum Verzweifeln, zum Resignieren gebracht hätte, beschreibt er als eine Zeit der Gnade, als einen Tag des Heils.
Durch die Begegnung mit Jesu hat er die Gewissheit gewonnen, dass nicht die Anstrengung den Wert des Lebens ausmacht, sondern, dass ihm der Wert seines Lebens ganz umsonst zugesprochen ist. Dass ein anderer schon alles Wesentliche für Dich getan hat.
Darauf dürfen wir bauen und vertrauen. Gerade vor dem Hintergrund so schwieriger Krisen, wie wir sie jetzt erleben müssen. Wir dürfen Angst haben, wir dürfen unsicher sein, doch wir sollen uns auf die Gnade Gottes verlassen. Verlassen auf das Geschenk, dass uns allen durch Jesus Christus gegeben ist, können wir sicher sein, dass wir an unserem Platz wirksam sein können. Wir sollen auf andere Menschen zugehen und mit ihnen in Beziehung treten.
Und genau dies tun Sie bei der Bahnhofsmission jeden Tag. Sie gehen auf die Menschen zu und treten mit ihnen in eine Beziehung, bauen eine Verbindung auf. Sie machen ein Angebot und tragen damit Gottes Angebot weiter. Immer ist dies wichtig und richtig. Aber in diesen unsicheren und beschwerten Zeiten ist es umso bedeutsamer.
Paulus will uns sagen: Gottes Angebot duldet keinen Verzug. Er teilt uns aber gleichzeitig auch mit: Ihr werdet dabei selbst reich beschenkt werden. Mit neuem Lebensmut und Freude. Das wünsche ich Ihnen in Ihrer so wichtigen Arbeit in den Bahnhofsmissionen.
Ingo Grastorf
Zentrumsleitung
Zentrum Engagement, Demokratie
und Zivilgesellschaft Berlin