16. NOVEMBER 2022

Gedanken zum Buß- und Bettag

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben Spr. 14,35

 

Manchmal hat man den Eindruck, man bräuchte einem Bibelspruch gar nichts mehr hinzufügen. Denn das, was hier steht, ist völlig einsichtig. Drastisch wird uns das klar, durch den schändlichen Angriffskrieg, den der russische Präsident vom Zaun gebrochen hat und der tausende von Menschenleben kostet und den Ruf seines Landes völlig zunichtemacht. Was geht in Menschen vor, die das auch noch gut finden?

 

Gerechtigkeit hieße, dass jeder Mensch sein Leben entfalten kann und dass auch jedes Land seine Stärken für das Wohl der ganzen Menschheit entwickeln kann. Aber wir sind weit davon entfernt, nicht nur weltweit, sondern auch in unserem eigenen Land. Und viele haben auch ein Gefühl dafür, dass da etwas nicht stimmt. Umfragen zu Folge sind wir Deutschen das ängstlichste Volk der ganzen Welt. Die „German Angst“ ist wieder lebendig.

 

Die Politik versucht, mit Programmen das Leben der Menschen gerechter zu gestalten. Wie schwierig das ist, können wir täglich in der Zeitung lesen. Jedoch beginnt die Gerechtigkeit bei jedem persönlich. Das erste ist, dass wir ein Gefühl für den Wert entwickeln, die jedes Menschenleben darstellt, auch das von Menschen, die uns nicht von vorneherein sympathisch sind und nicht zu Unseresgleichen gehören. Offenheit, Überwindung von Vorurteilen, echte Begegnung, Aufmerksamkeit – mit solchen Haltungen beginnt es. Gerechtigkeit erhöht ein Volk, wenn sie von jedem und jeder Einzelnen ausgeht. Solche Haltungen schlagen sich schließlich in politischem Handeln nieder, in dem, was Einzelnen zugutekommt, der Gesellschaft und der ganzen Welt.

 

Unsere Bahnhofsmissionen sind Orte, an denen wir das einüben und vorleben können. Wohl nirgendwo kommen so unterschiedliche Menschen hin als zur Bahnhofsmission. Hier können wir uns angstfrei begegnen. Und schließlich auch durch den wertschätzenden Blick und unser Handeln etwas für andere Menschen bewirken und damit auch für unser ganzes Land. Ist das nicht eine stete Besinnung auf tägliche Neuanfänge wert?

 

Klaus-Dieter Kottnik   

         

Klaus-Dieter Kottnik

Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe 

Vorsitzender des Bahnhofsmission Deutschland e.V.

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@bahnhofsmission.de