19. MÄRZ 2023

Gedanken zum 4. Sonntag der Passionszeit / Lätare

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.   (Joh. 12,24)

 

Seit vielen Jahren kaufe ich im Frühjahr einige Tüten mit Blumensamen – Sonnenblumen, Tagetes oder auch eine Mischung bunter Wiesenblumen. Ich säe die winzigen Samen in die Pflanzschalen und bin gespannt. Schon nach wenigen Wochen sprießen die ersten grünen Pflänzlein - besonders, wenn die Frühlingssonne auf die wie tot erscheinende Erde scheint. Schnell werden die Sprösslinge größer und können ins Gartenland verpflanzt werden. Wenn dann der Sommer da ist, sind aus den kleinen Samenkörnern oft prächtige Blütenbeete und riesige Sonnenblumen geworden. Es ist wie ein Wunder – aus Winzigkeiten, vergraben in dunkler Erde wird neues Leben. Das erfreut Auge und Herz und macht mir Mut..

 

Was ich alljährlich in meinem Garten beobachte, hat einst den ersten Christen geholfen, das Schicksal Jesu zu verstehen. Vom Weizenkorn ist da die Rede, das ersterben muss, um Frucht zu bringen. Auch wenn moderne Biologen dies sicher anders formulieren würden, leuchtet doch der Vergleich unmittelbar ein. Die ersten Christen trieb die ‚Warum-Frage‘ um. Warum musste Jesus, der Helfer der Menschen, der mutmachende Prediger, der Gesandte der Liebe Gottes so einen gewaltsamen Tod sterben. Eine der Antworten nach Ostern war: um zu neuem Leben erweckt zu werden, einem Leben, in dem er uns nahe ist und uns Kraft gibt, selbst Boten des Lebens und der Liebe zu sein. Das sind die Früchte seines Sterbens – Hoffnung, Frieden, Gerechtigkeit und Liebe.

In diesen Passionswochen vor Karfreitag und Ostern scheinen die Kräfte des Todes besonders viel Kraft zu haben – der Krieg in der Ukraine, all die Tränen und die Verzweiflung, das Elend der Flüchtlinge, die komplizierte Weltlage mit so vielen dunklen und so wenig hellen Wolken, die Bedrohung unserer Erde. Wie soll das nur weitergehen. Das fragen sich auch viele Teams in den Bahnhofsmissionen, die sich um Flüchtlinge kümmern, Reisenden helfen, Hoffnungslose in ihren Räumen willkommen heißen, Selbstzerstörung durch Drogen und Alkohol täglich schmerzlich erleben. Wo bleibt da die Hoffnung?

 

Mitten in der Passionszeit hören wir: Es gibt sie, auch jetzt, die Hoffnung auf Leben und Freude. Dieser Sonntag Lätare verweist auf das, was das Bibelwort der Woche sagt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Mitten im Dunkel und angesichts von Sterben und Tod bleiben wir nicht allein. Wir können auf neues Leben hoffen – Ostern, der Sieg des Lebens über den Tod ist in Sicht.

 

Ich werde dieser Tage wieder Tütchen mit Samen kaufen. Vielleicht versuchen Sie es ja auch mal – zuhause oder in Ihrer Bahnhofsmission. Neues Leben wird erwachsen und jeden Tag Mut machen und Kraft geben, weil das Leben und die Liebe stärker sind als Tod und Gewalt.

 

Jörg Hagen, Propst i.R.

Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen 

der Deutschen Evangelischen Bahnhofsmission

 

Jörg Hagen

Propst i. R., Lüneburg