02. APRIL 2023

Gedanken zu Palmsonntag

Die Fußwaschung (Joh 13): Jesus geht auf Tuchfühlung

 

Der Dienst in der Bahnhofsmission ist oft harte, körperliche Arbeit. Man braucht dazu alle seine Sinne. Das kann manchmal anstrengend sein und ist nichts für Leute, die sich fremde Menschen lieber auf Abstand halten. Es geht dort auch eher laut und unästhetisch zu. Und man sieht manches, vor dem man lieber die Augen verschließen möchte.

 

Ich glaube, dass arme und besonders wohnungslose Menschen überdurchschnittlich viel Zeit und Kraft aufwenden müssen, um den Bedürfnissen ihres Körpers nachzukommen. Denn Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Hunger, Gesundheitsbelastungen und Schmerzen fordern ihr Tribut. Scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Toilettengang, Menstruation, eine warme Mahlzeit, ein Bett oder eine Dusche werden zur täglichen Herausforderung.

 

Zu Jesu Zeiten war es normal, nicht jeden Tag frisch geduscht zu sein. Und so muss man sich bei der biblischen Geschichte von Jesu Fußwaschung eine Szene vorstellen, in der es nach Schweiß riecht und wo es dreckig und nass ist. Vorsorglich zieht Jesus, bevor er loslegt, sein Obergewand aus und bindet sich ein Leintuch als Schürze um. Danach hat er sich wohl vor die Menschen hingekniet, ihre nackten Füße in die Hand genommen, sie mit Wasser bespritzt, abgerieben und dann mit dem Leintuch getrocknet. Dabei wird er wohl selbst auch ein wenig Dreck und Wasser abbekommen haben. Kein Wunder also, dass seine Jünger irritiert, ja fast beschämt reagieren. Was Jesus da macht, passt nicht in ihr Bild von ihm und es fällt ihnen schwer, Jesu Geste anzunehmen.

 

Anderen die Füße zu waschen ist eine intime Handlung. Jesus kommt den Menschen dabei ziemlich nahe, geht sozusagen „auf Tuchfühlung“ mit ihnen. Er meint uns, wenn er seine Jünger auffordert, es genauso zu machen wie er: Wir sollen ebenfalls Rollenmuster und Konventionen aufbrechen, Hierarchien überschreiten, Berührungsängste ablegen, uns einander zumuten. Wir sollen unsere Menschenliebe handfest und konkret machen. So dass diese sie spüren können. Genau wie Jesus es uns vorgemacht hat: Auf Tuchfühlung gehen mit dem Leben.

 

Gisela Sauter-Ackermann

Bundesgeschäftsführung Bahnhofsmission