15. OKTOBER 2023

Gedanken zum 19. Sonntag nach Trinitatis

Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen." (Jer 17,14)

 

Unser heutiges Wort findet sich in den sogenannten „Konfessionen“ im biblischen Jeremiabuch. Die Figur des Propheten wird dort gezeigt als einer, der von Gott gerufen und in Dienst genommen ist. Er folgt dem Ruf Gottes, selbst ein Rufender für andere zu sein. Gleichzeitig zeigt das Jeremiabuch den Propheten irritiert, weil er sich aufreibt in dieser Berufung, weil er nicht erkennen kann, dass sich etwas verbessert im Weg des Volkes Israel. Er vermisst das Wohlergehen und die Gerechtigkeit, die Gott verheißen hat. Jeremia merkt nicht viel von den Verheißungen und Zusagen Gottes. Es ist eine Zeit der Umbrüche und des Niedergangs, das kleine Land Judäa wird durch die Supermacht Babylon politisch-militärisch bedroht und letztlich überfallen und erobert. Das Schicksal des Landes und Volkes ist in seinem persönlichen Schicksal symbolisch enthalten. Jeremia selbst muss als Berufener leiden, weil er sich auf den Weg Gottes begeben hat. In den „Konfessionen“ adressiert Jeremia seine Wut, seinen Zweifel und seinen Frust an Gott. Er bittet Gott, dass er nicht aufs falsche Pferd gesetzt hat. Dass er mit seiner Entscheidung, den Weg Gottes zu gehen, nicht an der Nase herumgeführt worden ist und letztlich nicht enttäuscht wird.

Der Prophet als Identifikationsgestalt wartet auf die Realisierung des zugesagten Heils von Gott und fordert sie ein. Er weiß um die Grenzen des eigenen Bemühens. Er erwartet etwas von Gott als dem Garanten der Gerechtigkeit. Das alte Wort „Heil“, was in den Religionen oft so blutleer spiritualisiert daherkommt, meint in der Bibel, dass alle Menschen haben, was sie zum Leben brauchen: Wohlstand, Nahrung, Friede, Arbeit, Bildung, Zeit, gelingende Beziehungen zu anderen Menschen.

Diese Bedürfnisse haben auch heute viele Menschen. Auch heute erleben wir uns in einer Zeit der Umbrüche, Kriege und Krisen und hoffen auf die Verwirklichung von Gottes Verheißung von einem guten Leben. Jeremia arbeitet sich an Gott ab, bittet ihn, fordert sein Eingreifen für Gerechtigkeit ein. Er kommt nicht los von diesem Gott und lässt nicht ab von ihm. Er tritt in kritische Auseinandersetzung mit IHM, der von ihm oft als abwesend und geheimnisvoll, unberechenbar, ja sogar als feindlich erlebt wird.

Jeremia ist wie Hiob eine Gestalt eines spätmodernen Glaubens, die mit Gott und um Gott ringt, fast an ihm verzweifelt. Ich kann mich in Jeremia gut wiederfinden.

 

 

Dr. Hubertus Schönemann ist Vorsitzender und freiwillig Engagierter bei der Bahnhofsmission Erfurt.

Dr. Hubertus Schönemann

1.Vorsitzender der Bahnhofsmission Erfurt