26. NOVEMBER 2023

Gedanken zum letzten Sonntag des Kirchenjahres

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen." (Lk 12,35)

 

Und wieder geht mit dem Ewigkeitssonntag (evangelisch) ein Kirchenjahr zu Ende. Die Katholiken bekennen mit der Bezeichnung Christkönigssonntag Jesus Christus als den Herrn der Zeit. Mit dem Advent beginnt ein neuer Turnus. Aber was gibt uns Menschen Halt im Verlauf der Zeit, die wir nicht anhalten können? Sie schreitet erbarmungslos voran und tickt weiter, auch wenn Menschen in ihrem Ableben „das Zeitliche segnen“, wie vor allem in den trüben Novembertagen an den Gräbern an die Opfer von Krieg und Gewalt gedacht wird.

 

Haben wir Kraft weiterzugehen? Immer weiter? Wohin führt die Reise dieser Welt? Was ist unser Weg als Individuen? Was ist unser Weg als Menschheit? Diese Welt zeigt uns überdeutlich, dass wir nicht einfach so weitermachen können, wenn diese Welt und diese Menschheit tatsächlich Zukunft haben wollen.

 

Madeleine Delbrêl (1904–1964), die Mystikerin der Straße in der kommunistisch-atheistischen Vorstadt von Paris, gibt in dem Text „Fahrradspiritualität“ wie in einem Gebet der weiterschreitenden Zeit eine säkular-religiöse Deutung: „‚Immer weiter!“ sagst du zu uns in allen Kurven des Evangeliums.  Um die Richtung auf dich zu behalten, müssen wir immer weitergehen, selbst wenn unsere Trägheit verweilen möchte.  Du hast dir für uns ein seltsames Gleichgewicht ausgedacht, ein Gleichgewicht, in das man nicht hineinkommt und das man nicht halten kann, es sei denn in der Bewegung, im schwungvollen Voran.  Es ist wie mit einem Fahrrad, das sich nur gerade hält, wenn es fährt; es lehnt schief an der Wand, bis man es zwischen die Beine nimmt und davonbraust.  … Wir können uns nur aufrecht halten, wenn wir weitergehen, wenn wir uns hineinwerfen in das Abenteuer verzehrender Liebe.“

 

Der biblische Text ermutigt ebenso dazu, in Bewegung zu bleiben, gegürtet zu sein, unterwegs zu bleiben, aufmerksam und wachsam zu bleiben. Mit Lichtern die Dunkelheit so zu erleuchten, dass man den Weg erkennen kann und nicht ins Obskure fährt.

 

Es gehört also zur Zuversicht des Glaubens, dass es weitergeht. Im Balancieren. Das Gleichgewicht ist nur im Voran zu halten. Und wenn das Fahrrad im Gleichgewicht bleibt, dann kommt es auch irgendwann am Ziel an. Das ist dieser Welt verheißen. Die Christen hoffen und glauben, dass dieses Ziel in Gott verborgen ist. Und es ist gut, dort anzukommen. Der Advent kann kommen. Lasst die Kerzen brennen!

 

Madeleine Delbrêl, Der kleine Mönch. Ein geistliches Notizbüchlein, Freiburg 1981, 76f.

 

Dr. Hubertus Schönemann ist Vorsitzender und freiwillig Engagierter bei der Bahnhofsmission Erfurt.

Dr. Hubertus Schönemann

1.Vorsitzender der Bahnhofsmission Erfurt