18. FEBRUAR 2024

Gedanken zum 1. Sonntag der Passionszeit

"Allen, die nach mir schreien, werde ich antworten. Ich werde für sie da sein in der Bedrängnis. Ich schnüre sie los und verleihe Ihnen Würde."

Psalm 91, 15 –Bibel in gerechter Sprache

 

Ich hatte meine Gedanken zu dieser Bibelstelle schon abgeschickt, da bat mich ein Gast in der Bahnhofsmission um ein Gespräch.

 

Wir setzten uns in unseren Nebenraum und er begann zu erzählen. Seine Geschichte ist eine Geschichte der Vertreibung, der Einsamkeit und der Entwurzelung. Er stammt aus dem Iran, seine ganze Familie ist tot, er lebt seit einigen Jahren ganz allein in Deutschland. Er wohnt in einer Notunterkunft der Stadt Kassel  und mit ihm sind dort viele Menschen mit psychischen oder Abhängigkeitserkrankungen untergebracht. Es ist laut und er hat oft Angst, dass jemand seine Tür aufbrechen könnte.

 

Sein Ziel ist es, eine eigene Wohnung zu bekommen,  und ich bin froh, ihm unsere „Housing first“ Sprechstunde Montag früh empfehlen zu können, weiß ich doch, er ist bei der Kollegin gut aufgehoben.

 

Er erzählt mir noch ein wenig aus seinem Leben und dann sagt er mir: „Ich gehe jeden Tag in die Kirche und bete und Gott hat mir so viel geholfen.“

 

Ich bin tatsächlich etwas baff; da sitzt ein Mensch in einer sehr prekären Lage – wohnungslos, ohne Angehörige, ohne Arbeit, mit sehr niedrigem Einkommen– und sagt: Gott hat mir so viel geholfen!

 

Es erstaunt mich, dass er nicht mit seinem Schicksal hadert, sondern die Erfahrung gemacht hat, dass Gott auch in Wüstenzeiten bei ihm ist.

 

Ich muss an Elia denken, der nicht mehr weiter konnte und sterben will. Ihm stellt ein Engel geröstetes Brot und Wasser hin und macht ihm klar, dass sein Lebensweg hier noch nicht zu Ende ist.

 

Elia macht sich gestärkt auf den Weg und begegnet schließlich Gott am Berg Horeb.

 

Es ist ein schönes Ziel, unsere Bahnhofsmissionen immer mehr zu Hoffnungsorten, zu Orten der Stärkung zu machen - durch eine gute Begegnung zwischen Gottes Geschöpfen, ein freundliches Wort, ein gemeinsames Lachen, einen Scherz, der verbindet, eine gelungene Beratung oder ganz profan durch ein leckeres Brötchen mit einer heißen Tasse Kaffee.

 

Und wie schön, wenn dann ein Gast sagt: Gut, dass ich heute zu Ihnen gekommen bin. Da hat mich jemand geleitet.

 

 

Karin Stürznickel-Holst

Fachbereichsleitung Allgemeine Soziale Dienste

Caritasverband Nordhessen-Kassel e.V.