"Wie neugeborene Kinder." 1. Petrusbrief 2,2
Wie neugeborene Kinder...? Das ist also der Wochenspruch für die kommende Woche? Es handelt sich nicht einmal um einen vollständigen Satz. Lediglich um einen Satzanfang und trotzdem sollen wir das für die kommende Woche bedenken? Ein bisschen kurz, ein bisschen abgeschnitten, ein bisschen zu wenig… sind die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf kommen. Und ebenso Bilder von Säuglingen. Sie sind ebenfalls „kurz“, sind noch wenig und auf die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen, sind (noch) nicht „vollständig“?
Gerade in diesem Frühjahr sind in meinem Umfeld, drei süße kleine Mädchen geboren. Bei jedem Blick auf das kleine Bündel, auf das mit Stolz präsentierte Bild der Großeltern oder Eltern, geht mir das Herz auf und ich freue mich mit ihnen. Was ein Segen!
Gleichzeitig kommen mir dann auch die Kinder vor Augen, die gerade im Bombenhagel von Cherson oder dem Gazastreifen zur Welt kommen, mitten in den größten menschlichen Katastrophen unserer Zeit. Wo Eltern und Großeltern sich nicht über das neue Leben freuen können, sondern in Angst und Verzweiflung um das eigene Leben und das des Kindes bangen müssen. Wo nicht die Freude über das neue Leben im Mittelpunkt steht, sondern nur die Sorge, ob dies neue Leben überhaupt eine Zukunft haben kann.
Trotzdem ist jedes Kind ein hoffnungsvolles Ausrufezeichen in dieser so kaputten Welt. Und so wie wir als Christ*innen am letzten Sonntag den Sieg des Lebens über den Tod gefeiert haben, so sollten wir doch auch in jedem neuen Menschen – eben gerade weil er so schutzlos und hilfebedürftig ist – die Chance auf eine bessere Welt sehen.
Vielleicht wird es deshalb auch dringend Zeit, dass wir wieder beginnen so einfach zu denken und zu handeln, wie Kinder es tun: unvoreingenommen, ohne Vor-Urteile, offen und neugierig, eher fragend und nicht schon wissend, mit weit geöffneten Armen und nicht verschränkten Armen vor der Brust, mit einem Schritt auf den anderen zu und nicht abwehrend zwei von ihm weg. Diese Haltung würde uns allen gut tun – egal, wo wir sind und wem wir begegnen, lasst es uns ausprobieren und werden „wie neugeborene Kinder“!
Diakonin Doris Vogel-Grunwald
ehem. Leiterin der Bahnhofsmission in Oldenburg,
Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg;
Landesverband Oldenburg