23. JUNI 2024

Gedanken zum 4. Sonntag nach Trinitatis

"Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen."

Galatherbrief 6,2
 

Als ich mit einer geführten Gruppe die Alpen zu Fuß überquerte, mussten wir kurz vor Tagesende nach einer schon recht beschwerlichen Tour noch einen ziemlich steilen Aufstieg von 1000 Höhenmetern überwinden, um unsere Hütte, in der wir übernachten wollten, zu erreichen.

Wir waren nicht die einzige Gruppe. Bei einer anderen Wandergruppe beobachtete ich, wie der Wanderführer der Gruppe den kompletten Rucksack einer Frau – also wahrscheinlich um die zehn Kilo – auf seinen lud. So konnten beide weitergehen: die Frau vermutlich sehr befreit und erleichtert, der Guide mit 10 Kilo mehr im Gepäck.

Ein Bild, das zeigt, wie der eine die Last der anderen trägt. Was mir daran gefällt: die Hilfsbereitschaft des Guides; die Erleichterung, die er der Frau verschafft.

 

Das Lastentragen für andere ist heldenhaft. Aber Lasten an andere abzugeben – das ist eher mit Schwäche und Aufgeben verbunden. Deswegen würde ich die zweite Option auch nicht so gerne wählen, bin ich doch lieber heldenhaft als schwach.

Aber vielleicht ist genau dieser Aspekt im Galaterbrief mitgemeint: nicht nur heldenhaft die Last anderer zu tragen, sondern selbst abzugeben, sich einzugestehen, dass es ohne Hilfe nicht mehr geht, andere nach Unterstützung fragen, schwach sein. Nur in diesem Wechselspiel kann das gelingen.

 

Das Bild einer zehn-Kilo-Last ist anschaulich, aber um diese Lasten geht es hier vermutlich am wenigsten. Echte Lasten sind nicht in Kilo zu bemessen und dennoch wiegen sie schwer: Krisen, Verluste, Depressionen, Ängste und noch vieles mehr. Wenn diese jemand für uns trägt, dann kann das ein ganzes Leben verändern. Dann ist die Erleichterung womöglich dauerhaft.

 

Der zweite Teil des biblischen Zitats spricht vom „Gesetz Christi“. Gesetz hört sich so an, als müsse man das tun, als hätte man gar keine Wahl, als würde man bestraft, wenn man es nicht einhält. Vielmehr könnte hier aber gemeint sein, dass ich – indem ich Lasten anderer trage oder meine Lasten von anderen tragen lasse – so handle, wie Jesus Christus selbst.

 

Stephanie Feder

 

Stephanie Feder

Geistliche Beirätin In Via Deutschland