28. JULI 2024

Gedanken zum 9. Sonntag nach Trinitatis

"Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern." Lukas 12,48

 

Dieser Text aus dem Lukas-Evangelium beschreibt den Anspruch, den Gott an uns und die Verwendung unserer Talente und unseres Wohlstands hat. Auf den ersten Blick lässt sich denken: „Na klar, so ist es.“
Es ist jedoch ein Satz, der, je öfter man ihn liest, umso folgenschwerer wird. Dieser Satz ist in seiner Tiefe eine Erklärung der Ungleichheit der Menschen.

 

Ungleichheit? Wir sagen doch immer, dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Und manche sind nun „gleicher“ als andere? Das kennen wir doch aus der jüngeren deutschen Geschichte und aus vielen anderen Ländern.

Und ja, genau so meint es dieser Satz. Die Menschen sind ungleich. Sie sind zu leisten Unterschiedliches im Stande. Die einen heben mehr als die anderen. Die einen können mehr anschieben als die anderen. Den einen fällt es leichter etwas zu organisieren, auf die Beine zu stellen, zu helfen, zu unterstützen als dem anderen. Dem einen fällt es leicht 50 Euro zu geben und der andere hat nicht mal 50 Cent.

 

Und am Ende ist es das, was uns das Lukas-Evangelium hier sagen möchte: Wir sind nicht alle gleich, sondern unterschiedlich. Und genau das ist von Gott so angelegt. Die Talente sind unterschiedlich verteilt und es ist unserer aller Aufgabe, ein Miteinander zu schaffen, in dem jede und jeder die eigenen Fähigkeiten entdecken, entwickeln und einbringen kann.

 

Wo die Anforderungen an die Einzelnen nicht zahlenmäßig gleich sind, sondern nach der Leistungsfähigkeit des Einzelnen beurteilt werden. Nur so stellt sich das Gefühl der Gerechtigkeit ein. Derjenige, dem viel gegeben ist, ist auch verpflichtet viel zu geben. Und so ist es an uns, die im Warmen, im Trockenen wohnen, die satt sind und wissen, dass wir es auch morgen sein werden. Es ist an uns, denjenigen zu geben, die all dieses nicht haben. Es ist an uns ein Miteinander zu schaffen, wo diejenigen, die es nicht können, die Chance bekommen, für sich selbst zu sorgen.

 

Uns ist ein Reichtum anvertraut, auf dass wir etwas zum Wohle anderer daraus machen- Und so ist unser Wohlstand nicht nur Grund zum Dankbar sein, sondern vor allem auch ein Auftrag zum Handeln. Wir sind beauftragt Chancengleichheit für alle, unabhängig vom Geburtsort, Gesundheit oder dem Wohlstand der Eltern zu ermöglichen. Wir sollen Talenten und Fähigkeiten Entwicklungsraum geben und die Menschen in ihrer Verschiedenheit akzeptieren.
Das ist im positiven Sinne das Gegenteil von Gleichmacherei, denn Gott sind die Menschen in ihrer Verschiedenheit gleichviel wert.

Ingo Grastorf

Zentrumsleitung

Zentrum Engagement, Demokratie

und Zivilgesellschaft Berlin