18. AUGUST 2024

Gedanken zum 12. Sonntag nach Trinitatis

"Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen." Jesaja 42, 3a

 

 

Was für eine Botschaft! Was für ein Vertrauen tut sich hier auf!

So geknickt wir auch vom Leben werden – etwas hält uns aufrecht, trotz allem.  Und wenn wir noch so sehr meinen, ganz zerstört zu sein – ein Glimmen bleibt, das wieder zur Flamme erwachen wird.

 

Solch ein Gottvertrauen, die Sicherheit, letztendlich immer aufgefangen zu werden, muss enormen Halt geben. Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ zeugt von diesem tiefen Vertrauen - gerade angesichts schwerster Krisen und den Ängsten, die damit einhergehen.

Aber auch alltäglichere Menschen finden Stärke im Glauben. Die Anonymen Alkoholiker zum Beispiel: In ihrem Zwölf-Schritte-Programm betonen sie, wie wertvoll das Vertrauen in eine höhere Macht ist, wenn es darum geht, wieder zu sich zu finden.

 

Doch die Zahl der Menschen, die Stärkung und Trost aus Bibelworten schöpfen, wird – zumindest in westlich-säkularen Gesellschaften – immer kleiner. Nur wenige von uns werden noch von solch starkem Gottvertrauen getragen.

Wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen, sehen wir doch täglich Menschen, deren Lebenslagen immer aussichtsloser werden. Einem tief verzweifelten Gast in der Bahnhofsmission kann ich doch nicht mit Bibelzitaten kommen? Und auch die weltliche Version „es wird alles gut werden“ ist meist nur ein hilfloser Versuch, zu trösten. Ohne eigene Überzeugung, aus dem bloßen Gefühl heraus, irgendetwas sagen zu müssen.

 

Das geknickte Rohr wird nicht zerbrechen, der glimmende Docht nicht verlöschen. Wie kann ich das Vertrauen und die Stärkung, die diese Worte in sich tragen, vermitteln an jemanden, der sich in einer Lebenskrise befindet? Wie kann ich jemandem Mut machen, der sich verlassen fühlt von Gott, vom Glück, von der Menschheit? Was braucht jemand, der leidet?

 

Eine zentrale Erfahrung aus der Ausbildung zur Mutmacherin war, wie wichtig es ist, Kraftquellen zu erschließen. Von was kann jemand zehren, auch wenn er in großen Nöten ist? Was kann einen fast erloschenen Docht wieder zum Aufflammen bringen?

Vielleicht sind dies Glaube und Spiritualität, aber es kann auch eine Beziehung sein, ein Gespräch, das Betrachten der Natur oder Dinge, die jemand gerne tut…

Manchmal braucht es Zeit, bis diese Quellen der Kraft wieder aufgespürt werden. Dann geht es erst einmal darum, ein offenes Ohr zu haben für den Anderen – einfach da zu sein.

 

 

Daniela Stumpe

Leiterin der Bahnhofsmission Tübingen