"Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." Psalm 103,2
Es kann durchaus eine Gnade sein, vergessen zu können. Ich zum Beispiel habe den Millenniumswechsel nach einem schweren Fahrradunfall im Koma auf einer Intensivstation verbracht. Gott sei Dank habe ich keinerlei Erinnerung an den Unfall. Und so kann ich nach wie vor unbeschwert Fahrrad fahren.
Allerdings vergessen wir tatsächlich eher die guten Dinge (Erlebnisse, Begegnungen etc.). Die Negativen graben sich viel tiefer in unser Gedächtnis ein als die Guten. Das ist Teil unseres archaischen Erbes. Um zu überleben, mussten unsere Vorfahren Gefahren vermeiden. Und das ist ja auch bei uns heute nicht anders.
„Aus Schaden wird man klug“, sagt man. Das heißt, aus Fehlern können wir lernen. Und tatsächlich lernen wir aus Fehlern und negativen Erlebnissen sogar am meisten.
Und so danke ich Gott nicht nur für das Gute. Ich danke ihm auch für manches Negative in meinem Leben, weil ich daraus viel gelernt habe. Gar nicht mal weniges hat sich schließlich in diesem Sinne als gut erwiesen. Heute danke ich ihm sogar für meinen Unfall. Denn die Zeit danach wurde für mich zur Gnadenzeit. Ich erlebte mich von ihm getragen und von vielen, vielen Menschen im Gebet begleitet. Das hat mich so sehr entlastet, dass eine Ärztin sagt: „Man spürt bei ihnen eine tiefe Gelassenheit. Und das ist für ihren Heilungsprozess sehr gut. Denn mit ihren Schädel-Hirn-Verletzungen wäre es ganz schlecht, wenn sie ständig grübeln und sich das Hirn zermartern würden.“
Und so lobe ich Gott von ganzem Herzen und danke ihm für das Gute und für sein Weggeleit zu allen Zeiten unseres Lebens.
Prof. Dr. Bernd Lutz
Theologe, Professor für Pastoraltheologie
und Leiter der Arbeitsgruppe
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