"Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch." 1. Petrusbrief 5,7
Mit Sorgen haben die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission in der Regel viel Erfahrung. Reisende sorgen sich um ihre Anschlüsse, um die Erreichbarkeit von Bahnsteigen, um die Begleitung gebrechlicher Angehöriger und vieles mehr. Andere Besucher kommen eher mit Lebenssorgen in die Bahnhofsmission – Wo kann ich heute Nacht schlafen? Wo finde ich Hilfe mit meinen Suchtproblemen? Wie kann ich eine Unterstützung bekommen. Manche kommen auch ohne konkreten Anlass, weil Einsamkeit sie bedrückt, es in der Familie nicht gut läuft oder sie einfach mal mit einem anderen Menschen reden möchten. Manchmal kommen sich die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission vor wie auf einem Marktplatz der Sorgen. Das ist nicht einfach. Was sollen sie sagen? Wie können sie helfen angesichts der oft komplizierten und drückenden Sorgen, denen sie begegnen?
Auch im biblischen Wochenspruch geht es um Sorgen und den Umgang mit Ihnen. Er kommt mit einem scheinbar einfachen Ratschlag daher: Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Das klingt leicht, aber wie macht man das, seine Sorgen auf Gott werfen und wie sorgt er für uns? Ist das nicht nur Vertröstung, denn auch wenn ich meine Sorgen vor Gott bringe, wird er sie doch nicht wegzaubern. Das scheint dem Verfasser des 1. Petrusbriefes durchaus klar zu sein, denn er spricht ja ausdrücklich von all unseren Sorgen – aber wie sollen wir mit ihnen umgehen? Ich verstehe seinen Rat so, dass wir die Sorgen nicht in uns verschließen, sie nicht übermächtig werden lassen sollen. Wenn unsere Sorgen uns völlig beherrschen, verlieren wir alle Freiheit und Zukunft. Um dies zu verhindern, empfiehlt der Bibelvers, unsere Sorgen zu teilen – mit Gott und damit auch mit anderen Menschen. Geteilte Sorgen können entlasten. Wenn wir im Gebet vor Gott unsere Sorgen ausbreiten, bleiben wir mit ihnen nicht allein. In uns kann die Hoffnung wachsen, dass Gott mit uns die Sorgen trägt und uns Kraft schenken kann, mit Ihnen umzugehen. Gott sagt uns seine Nähe und Begleitung zu. Im Vertrauen darauf können wir lernen, mit unseren Sorgen umzugehen, Lösungen zu finden und daran zu arbeiten. Manches können wir so loswerden, anderes muss uns nicht mehr die Luft zum Leben und Denken nehmen. So geschieht Gottes Fürsorge: nicht so, dass er unsere Sorgen wegzaubert, sondern so, dass er uns hilft durch seine Nähe und Hilfe mit den Sorgen umzugehen.
So gesehen sind die Mitarbeitenden in der Bahnhofsmission Mitarbeitende Gottes – sie hören auf die Sorgen, die die Besorgten mit ihnen teilen und sie überlegen mit den Menschen, wie sie mit ihren Sorgen so umgehen können, dass sie ihnen nicht die Kraft und die Lust zum Leben nehmen. Manchmal ist das ziemlich einfach, wenn es z.B. um die Begleitung auf dem Bahnsteig geht, manchmal ist das auch sehr schwierig, wenn es um Krankheit, Sucht, Schuld und andere tiefe Lebenssorgen geht und doch ist es oft schon ganz viel, wenn Menschen in Sorge bei anderen Menschen ein offenes Ohr, Zeit und die Bereitschaft finden, ein Stück weit Sorgen mitzutragen und mit nach Wegen des Lebens zu suchen.
Jörg Hagen
Propst i.R.
Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen
der Deutschen Evangelischen Bahnhofsmission