29. SEPTEMBER 2024

Gedanken zum 18. Sonntag nach Trinitatis - Michaelistag

„Der Engel des Herrn lässt sich nieder bei denen, die dem Herrn mit Ehrfurcht begegnen. Er schützt sie von allen Seiten und rettet sie.“ (Psalm 34,8 – Basisbibel)

 

Der 29.9. ist Tag des Erzengels Michael und aller Engel. Dazu wurde ein Spruch aus Psalm 34 gewählt. Ein äußerst kunstvoller Psalm: Zu jedem Buchstaben des hebräischen Alphabets wurde eine eigene Strophe gedichtet. Welch Mühe und liebevolle Leidenschaft! Ein bisschen erinnert das an die spirituelle Praxis des Danke-Tagebuchs: Sich ganz bewusst den Tag anschauen und eine bestimmte Zahl von konkreten Momenten benennen, für die ich heute dankbar bin. So berichtet der Beter im ersten Teil von Psalm 34 in großer Dankbarkeit, wie Gott ihn immer wieder aus Not und Bedrängnis gerettet hat. Im zweiten Teil fordert er dann seine Zuhörer*innen auf, aus den Erfahrungen mit Gott praktische Schlüsse zu ziehen.

 

Noch im Dankbericht, ist dann vom „Engel des Herrn“ die Rede und dabei klingt es ja so, als ob hier über Gott selbst gesprochen wird, der von allen Seiten schützt und rettet. Wie stellen wir uns das Verhältnis von Gott und diesem „Engel“ vor? Wenn man – wie zum Michaelistag passend – sich andere Engelsgeschichten im Alten Testament vor Augen führt, wird deutlich: Der Engel des Herrn ist Gott der Herr selbst, aber in seiner besonderen Eigenschaft als ein Gott, der den Menschen erscheint. Natürlich hat Gott noch viele andere Eigenschaften, aber immer, wenn vom „Engel des Herrn“ die Rede ist, dann ist gemeint: Gott, der sich den Menschen zeigt und ihnen nahe ist.

 

Im Hebräischen meint das Wort „Engel“ sowohl himmlische Wesen (angelus) als auch irdische Boten (wie den römischen Nuntius). Ein Stückweit den Menschen die heilsame Botschaft Gottes mitbringen, ihnen etwas vom liebevollen Angesicht Gottes zeigen  –  das ist die Aufgabe der himmlischen und der irdischen Engel. Schützen und Retten – das sind Aufgaben, die vollumfänglich nur Gott übernehmen kann. Für Menschen ist das zu groß. Auch für Menschen in blauen Westen, die von anderen manchmal als „blaue Engel“ erlebt werden.

 

Ich weiß, dass manche von Ihnen sich an dieser Bezeichnung stören: „Wir sind keine Engel. Wir sind normale Menschen, wir helfen, aber wir enttäuschen auch, machen Fehler und können weder alle schützen noch retten.“ Recht haben Sie! Es ist wie beim Engel des Herrn: Der zeigt nur eine Facette von Gott. Er lässt etwas, ein bisschen von Gott spüren. Und genau das können Mitarbeiter*innen und Gäste in der Bahnhofsmission erleben: Da ist jemand, der sich für mich interessiert und der sich um mich kümmert. Dank sei Gott für die himmlischen und die irdischen Wesen, die uns Gottes Schutz spüren lassen. 

 

Vielleicht möchten Sie aus dem Lied „Großer Gott wir loben dich“ die Engels-Strophen singen oder summen:

 

2. Alles, was dich preisen kann,

Cherubim und Seraphinen

stimmen dir ein Loblied an

alle Engel, die dir dienen,

rufen dir stets ohne Ruh

"Heilig, heilig, heilig" zu.

 

3. Heilig, Herr Gott Zabaot

Heilig, Herr der Himmelsheere

Starker Helfer in der Not

Himmel, Erde, Luft und Meere

sind erfüllt von deinem Ruhm

alles ist dein Eigentum.

 

4. Der Apostel heilger Chor,

der Propheten hehre Menge

schickt zu deinem Thron empor

neue Lob- und Dankgesänge

der Blutzeugen lichte Schar

lobt und preist dich immerdar.“

(GL 380 / EG 331)

PD Dr. Christine Siegl

Pfarrerin;

Ruhr Universität Bochum, Evangelisch Theologische Fakultät,

Forschungsprojekt „Nächste Hilfe am Bahnhof“