"Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi." 2 Korintherbrief 5,10a
Das Kirchenjahr neigt sich seinem Ende zu und mit ihm geraten nochmals große Themen in den Blick. Es geht um Leben und Tod, um Schuld und Erlösung und wie am heutigen Buß- und Bettag um das Gericht Gottes.
Sofort kommen Bilder in unseren Kopf, die uns ängstigen: Künstlerinnen und Künstler in verschiedenen Jahrhunderten haben uns Bilder gemalt, die das Fegefeuer, die Hölle und die Verdammnis aufs Schrecklichste illustrieren. Und bis heute zeigen sie ihre Wirkung. In der Gegenwart überlagert durch allgegenwärtige Schreckensbilder in den Zeitungen, im Fernsehen, im Internet. Doch wie intensiv müssen diese Bilder auf die Menschen vergangener Zeiten gewirkt haben? Bei wie vielen Generationen erzeugten sie lähmende Angst vor dem Gericht Gottes, über das wir heute im Korintherbrief lesen?
Es ist gewiss nicht nur die bildliche Darstellung, die uns Angst macht, sondern die Erkenntnis, dass es um unser eigenes Handeln geht. Wenn wir ehrlich zu uns sind, erkennen wir wohl Tag für Tag in unserem Handeln klare Abweichungen von den Gesetzen Gottes. Wie oft betrachten wir unseren Nächsten nicht mit der von Gott erwarteten Liebe? Wie oft verfehlen wir den Anspruch im Umgang mit dem Gegenüber, dem Kollegen bei der Arbeit, der Partnerin zu Hause, im Umgang mit den Kindern, in der Beziehung zu Freunden und Bekannten? Niemand von uns kann da reinen Herzens sagen: „Ich trete ohne Schuld vor den Richterstuhl.“
Und auch die im alltäglichen Miteinander oftmals so gut funktionierenden kleinen Lügen und Verschleierungen des eigenen Fehlverhaltens werden vor Jesus Christus und Gott nicht funktionieren. Sie werden „offenbar“ werden. Es nutzt also nichts, sich zu verstellen, sich in ein besseres Licht zu setzen. „Wir müssen alle offenbar werden“. Das Sichtbar-Werden unserer Fehler ist eine Zwangsläufigkeit, aus der es kein Entrinnen gibt.
Daran denken wir am Buß- und Bettag. Doch dies ist es nicht allein, was im neune Testament zum Ausdruck gebracht wird. Es ist zur selben Zeit auch die andere, die mutmachende Botschaft, die uns durch Jesus Christus gesandt ist: Gott weiß, dass wir fehlerbehaftet sind, er weiß die Menschen sind nicht perfekt. Und genau deshalb gibt er seinen Sohn und wir können durch den Glauben und die Nachfolge an Jesus unsere Schuld und unsere Sünden vergeben bekommen.
Diese beiden Botschaften zusammen sind es, die das Besondere zum Ende des Kirchenjahres ausmachen. Wir alle sind mit Schuld beladen, doch durch unseren Glauben können wir vor den Richterstuhl treten und dürfen auf das ewige Leben vertrauen.
Ingo Grastorf
Zentrumsleitung
Zentrum Engagement, Demokratie
und Zivilgesellschaft Berlin