08. DEZEMBER 2024

Gedanken zum 2. Advent

Seht auf und erhebt eure Häupter weil sich eure Erlösung naht

Lk 21,28b

 

Der Vers ist Abschluss einer Rede, in der Jesus im Lukasevangelium in apokalyptischen Bildern, z. B. Zerstörung und Krieg, die Endzeit ankündigt. „Wenn ihr das alles seht …“ Am Ende des Jahres 2024 entsteht so der Eindruck einer großen fundamentalen Umwälzung.

 

Man kann tatsächlich den Eindruck bekommen, dass derzeit alles „den Bach runtergeht“, dass Krieg und Zerstörung die Oberhand behalten. Man mag meinen, dass die Transformationen von Klima, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Geo- und Machtpolitik, Digitalisierung, Demografie usw. die uns derzeit belasten und uns die Hoffnung rauben wollen, das letzte Wort haben.

 

In der Bibel sind es gerade diese Endzeitbilder, die einen Übergang zur Zeit Gottes (das ist ein anderes Wort für „Erlösung“) markieren und zur Entscheidung auffordern, was denn tatsächlich wichtig ist. So zeigt Jesus einige Zeilen davor seinen Jüngern eine arme Witwe als Beispiel, die von dem wenigen, was sie hat, in den Opferkasten legt. „Ihren ganzen Lebensunterhalt“, also: Sie hat das gegeben, was ihr Leben ausmacht. Das muss nicht nur Geld sein. Das kann auch Zeit sein, Aufmerksamkeit, Begleitung und vieles mehr.

 

Im Laufe der Christentumsgeschichte haben immer wieder Endzeitprediger diese apokalyptischen Bilder ausgenutzt, um Menschen zu manipulieren und selbst davon zu profitieren. „Wenn Ihr das alles seht …“

Aber gerade an dieser Stelle ermutigt Jesus dazu, den Kopf zu erheben und die Erlösung zu erwarten. „Kopf hoch!“ ist nicht ein trotziges Dennoch, kein die Realität überspielendes Trostpflaster, sondern die Ermutigung, den Dingen „ins Auge zu sehen“ und erhobenen Hauptes seine Würde und die der anderen anzunehmen und daraus den Alltag zu gestalten. Menschen, die immer den Kopf runternehmen, können schlecht Kontakt mit anderen aufnehmen, sind eher „Duckmäuser“, sehen die Wirklichkeit meist nicht so, wie sie sich ihnen zeigen will. „Erhobenen Hauptes“ bedeutet, das Leben anzunehmen und es in Freiheit und Würde zu gestalten, mit anderen gemeinsam. „Erhebt euer Haupt!“, das ist nicht den Untertanen gesagt, die die Mütze abnehmen und sich verneigen müssen, wenn der König in der Kutsche vorbeifährt. Gottes Königsherrschaft, die er selbst in Gang bringt, ist anders: Nein, es sind die Bürgerinnen und Bürger, freie Menschen, die mit ihren Begabungen und ihren Möglichkeiten, auch mit ihren Grenzen, verantwortlich und kommunikativ diese Welt mitgestalten können. Dazu werden wir mit diesem Wort ermutigt.

 

Also: „Kopf hoch!“

 

Dr. Hubertus Schönemann.

 

 

 

 

 

 

Dr. Hubertus Schönemann ist ehrenamtlich 1. Vorsitzender des Trägervereins Ökumenische Bahnhofsmission Erfurt e. V. und selbst am Bahnhof aktiv.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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