"Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Johannes 3,16)
Karfreitag ist ein Tiefpunkt. In katholischen Kirchen schweigen Glocken und Orgel. Die Kerzen bleiben aus und der Weihwasserkessel ist leer. Denn wir denken an das grausame Schicksal eines zu Unrecht festgenommen, verurteilten, gefolterten und schließlich qualvoll Ermordeten. Ein Schicksal, das Jesus leider mit Milliarden anderer Menschen teilt, die ebenso wie er scheinbar sinnlos leiden und sterben.
Christen feiern den Todestag Jesu als einen ihrer höchsten Feiertage. Sie erinnern an das deprimierende Ende jenes charismatischen Propheten, der Menschen dazu bewegen konnte, ihr Leben radikal zu ändern, der Wunder bewirkte und die Hoffnung auf ein Reich Gottes nährte, in dem Gerechtigkeit und liebevolles Erbarmen herrschen.
In seiner Todesstunde betet Jesu einen alten Psalm, der mit folgenden Worten beginnt „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen“. Ein Stoßseufzer der Verzweiflung, durch den er sich mit allen Opfern von Krieg, Gewalt, Unrecht und Unterdrückung verbindet.
Das ist die eine Seite des Karfreitag: Das Nach- und Mitfühlen von Verzweiflung und Leid, die Trauer über den Verlust eines bewunderten und geliebten Menschen, das Mitfühlen mit allen verzweifelt Leidenden.
Auf der anderen Seite ist der Tiefpunkt zugleich der Wendepunkt. Ein Wendepunkt, der Leid und Trauer nicht beseitigt und doch Trost schenken kann:
Kennen Sie das Gefühl, wenn sich in der Erinnerung an eine geliebte verstorbene Person die Trauer mit einem innigen Gefühl der bleibenden Liebe und Verbundenheit vereint? Dieses starke Gefühl der Verbindung ändert nichts an dem schmerzlichen Verlust. Aber das In-Verbindung-Bleiben, spendet Trost. Trauer und Schmerz bleiben, oft lebenslang, werden vielleicht lebenslang immer wieder aufbrechen wie nicht heilende Wunden. Aber die lebendige Beziehung zu der geliebten Person über den Tod hinaus, all die Gespräche mit Vertrauten über gemeinsam Erlebtes und die Dankbarkeit dafür – all das kann uns trösten. Wir dürfen hoffen, ja vertrauen: Wir sind nicht allein, wir bleiben – trotz allem – verbunden. Nicht der Tod ist das Ende, sondern die Liebe hat das letzte Wort. Sie ist stärker als der Tod. Und Gott ist die Liebe.
Diese Hoffnung leuchtet am Karfreitag von Ostern her in die dunkle Stille des Kirchraums herein.
Dr. Gisela Sauter-Ackermann
Bundesgeschäftsführung Bahnhofsmission