"Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch" (1. Petrusbrief 5,7)
Sorgen kennen wir alle, aber viele unserer Gäste tragen oft mehr als nur einen schweren Koffer oder Rucksack.
Armut, Krankheit, Sucht, Wohnungslosigkeit, Gewalterfahrungen, Angst vor dem Morgen, Einsamkeit – die sehr realen Sorgen und Nöte verflüchtigen sich in dem anonymen Treiben des Bahnhofs, es scheint keinen Ort zu geben, wo die Last leichter wird.
Die Worte von Petrus mögen für unsere Gäste in ihrer akuten Not sehr fern, wenig greifbar oder gar hilfreich erscheinen.
Für mich sind sie eine stille, aber kraftvolle Erinnerung:
Ich bin nicht allein, wenn ich schwierige Gespräche führe. Ich bin nicht für alles verantwortlich. Ich muss nicht alle Probleme lösen. Ich darf abgeben.
Ich darf meine eigenen Sorgen, meine Überforderung, meine Ohnmacht vor Gott bringen. Ich darf darauf vertrauen, dass er auch da ist, wo ich nicht mehr weiterkomme. Dass er sieht, was ich nicht sehen kann. Dass er trägt, was ich nicht tragen kann.
Das entlastet mich, schenkt mir Raum für Mitgefühl ohne Selbstaufgabe, für Nähe ohne Überforderung, für Begleitung ohne den Anspruch, alles heilen zu müssen.
Diese Erinnerung verändert nicht alles – aber es verändert, wie ich den täglichen Herausforderungen in unserer Bahnhofsmission begegnen kann.

Annette Meyns
Leiterin der Bahnhofsmission
am Berliner Hauptbahnhof
